Stop and Go der Wirtschaft in China. Auf Lockdowns folgen Stimuli. Das lässt die Weltwirtschaft nicht unbeeindruckt. Inflation, Zinserhöhungen, schwache Auftragseingänge. Herausforderungen satt.

Schrottverfügbarkeit leidet unter Logistikeinschränkungen. Niedrige Flusspegel und Vorfahrt bei der Bahn für Öl und Gas. Auch darf man die Preiselastizität des Schrottangebots nicht vergessen.

Metalle bestimmen den Wert des Schrotts, nicht nur die Kosten der Aufbereitung. Umfrage sieht LME Nickel für 2022 im Schnitt bei USD 25.300/mt. 2023 bei USD 21.000/mt wegen größerem Angebotsüberschuss.

worldstainless: Globale Edelstahlproduktion in Q1 2022 plus 1,7% ggü. Q4 2021. Auch Oliver Wyman untersucht LME Nickelmarkt. Edelstahl aus Schrott wird zur Produktlinie. Neue Zölle in Indonesien.

China muss Zero-Covid aufgeben
Während man aus China noch von Lockdowns und drakonischen Maßnahmen hört, sind im europäischen Sommer die Restaurants voll und deutlich teurer. Und es sieht derzeit in allen Ländern, mit Ausnahme von Deutschland, so aus, als hätte man akzeptiert, dass das Coronavirus inzwischen endemisch geworden ist. Sollte dieser Stamm nicht wieder zu einer deutlich gefährlicheren Variante mutieren, ist auch für Herbst und Winter nicht mehr mit den Restriktionen der vergangenen Jahre zu rechnen. Es wäre nicht schlecht, auch die chinesische Führung würde einmal diese Gedanken durchspielen, denn durch die Zero-Covid-Strategie kommt es zwangsläufig zu einem ständigen Stop und Go der chinesischen Volkswirtschaft. Das sorgt aber für erhebliche wirtschaftliche und sonstige Kollateralschäden und das weit über die chinesischen Grenzen hinaus.

Denn China ist nicht nur ein gewichtiger Nachfrager von Exportgütern, auch ist das Land der aufgehenden Sonne ein wesentlicher Bestandteil von Lieferketten für entscheidende Bauteile und das bei weitem nicht nur für die IT. Diese Situation, verbunden mit Inflation und steigenden Zinsen und dem weiter unvermindert geführten Krieg in der Ukraine, sorgt dafür, dass sich die Auftragsbücher der Industrie – vermutlich mit Ausnahme der Rüstungsindustrie – nicht mehr in gleichem Maße füllen, wie die Außengastronomie bei sommerlichen Temperaturen.

Mit dem Rheinpegel sinkt auch die Schrottverfügbarkeit
Der Schrottmarkt hat sich saisonal bedingt, aber auch aufgrund der makroökonomischen Rahmenbedingungen, (vorübergehend) wieder in einen Käufermarkt gewandelt. Doch trocknet in diesem Sommer nicht nur das Flussbett des wichtigen europäischen Stroms Rhein aus, sondern auch die Verfügbarkeit von Edelstahlschrott sinkt erheblich. Denn auch wenn manche Marktteilnehmer anders argumentieren, besteht nach wie vor ein direkter Zusammenhang zwischen dem Schrottaufkommen und den Schrottpreisen respektive den Nickelnotierungen der London Metal Exchange (LME).

Für die verschiedenen Nickelprodukte (on und off Exchange) gab es schon immer Auf- oder Abschläge ausgehend vom LME-Nickelpreis, in Abhängigkeit vom jeweiligen Angebot und der konkreten Nachfrage. Europa ist überdies keine Insel, auch wenn aktuell Edelstahlproduzenten trotz Rekordgewinnen ihre Verhandlungsmacht nutzen möchten, um erheblichen Druck auf die Margen der Schrotthändler auszuüben.

Ein ebenso beliebtes und hier auch schon diskutiertes Argument ist die Theorie von der Zweiteilung des Marktes in börsenfähige und außerbörsliche Nickelqualitäten, wobei es für Letztere außer in der Edelstahlproduktion keine Verwendung gäbe. Daher müsste sich die Preisbildung für Schrott grundsätzlich von den tatsächlichen Produktions- und Aufbereitungskosten ableiten. Da diese bei Schrott vermutet niedrig sein sollen, müsse auch Schrott ein „billiger“ Rohstoff sein. Schrott hätte quasi das größte Potenzial zur Preisreduktion, so die opportunistische Herleitung.

Zweiteilung des Marktes ist eine Wunschvorstellung
Diese auf den ersten Blick vielleicht in manchen Ohren wohlklingende Idee verkennt, dass es sich anders als bei einem normalen Produkt auch bei Schrott um einen knappen Recyclingrohstoff handelt, dessen Wert sich im Wesentlichen durch die enthaltenen metallischen Bestandteile bestimmt. Altmetall ist schon in den Haushalten und Unternehmen nicht wertlos, sondern wertvoll. Denn die enthaltenen chemisch-metallurgischen Elemente, wie Nickel, Chrom, Molybdän und Eisen, lassen sich ohne Qualitätsverlust und mit erheblichen positiven Effekten auf das Klima (im Vergleich zu Minenrohstoffen) erschließen. Insofern muss sich der Wert des Schrotts zwingend von den Preisen der Legierungselemente ableiten.

Es wundert daher kaum, dass im internationalen und nationalen Handel eine unabhängige Referenz wie die LME für die praktische Abwicklung der Geschäfte sehr sinnvoll und nützlich ist, lässt man einmal die Dysfunktionalitäten an der LME vom März 2022 außer Acht. Würde es sich bei der Preisbildung, wie behauptet, allerdings eher um so etwas wie ein Tragfähigkeitsmodell handeln, wären wir nicht mehr in der freien Marktwirtschaft unterwegs, sondern eher bei steuerrechtlichen Konzepten mit der „sozialen“ Zielsetzung einer Umverteilung von Margen.

Schaut man sich vergleichbare, ebenfalls knappe Güter, wie zum Beispiel Altgold oder gebrauchte Diamanten und Edelsteine an, sind diese auch nicht für umsonst zu haben, weil Gold und Diamanten logischerweise auch in gebrauchtem Zustand wertvoll sind. Über Preissenkungen lassen sich Umsätze und Angebotsmengen daher auch nicht wirklich erhöhen, selbst bei der ausgefeiltesten Argumentation.

Schon eher ist ein Vergleich mit den Preisen jeweils komplementärer Rohstoffe zulässig und nachvollziehbar, diese müssen aber in Zeiten von Emissionshandel und Carbon Border Adjustment Mechanismen auch die entsprechenden Eigenschaften hinsichtlich Klima¬verträglichkeit besitzen und auch faktisch und praktisch überhaupt verfügbar sein. Der Preis von nickelhaltigen Rohstoffen wird immer in Ableitung vom Preis der letzten Tonne Nickel einer funktionsfähigen LME bestimmt.

Starker Dollar dämpft Rohstoffpreise
Seit der letzten Ausgabe Mitte Juni hat sich der Preis des Nickel-Futures an der LME von seinerzeit USD 25.000,00/mt zunächst bis Mitte Juli auf ein Tief von knapp über USD 18.000,00/mt reduziert. Dafür waren die oben stehenden Aspekte ebenso verantwortlich wie durch den, aufgrund der in den Märkten deutlich angestiegene Unsicherheit, festere Dollar. Die in US-Dollar notierten Rohstoffe aller Art wurden ausgedrückt in den heimischen Währungen teurer, die Nachfrage entsprechend gedämpft. Seitdem hat sich der Nickelkurs aber wieder deutlich erholt und handelt nach einem konstanten Anstieg zurück auf das Niveau von USD 25.000,00/mt nun seit einiger Zeit in einem Band zwischen USD 22.000,00/mt und USD 24.000,00/mt, jeweils in Abhängigkeit von tagesaktuellen Nachrichten. Beim nickelhaltigen Edelstahlschrott waren Bedarf, Verfügbarkeit und Preise niedrig.

Reuters-Umfrage im Spannungsfeld von Unsicherheit und Stimulus
Die traditionelle Umfrage des Wirtschaftsnachrichten- und Preisdatenproviders Reuters unter den Rohstoffanalysten der führenden Banken und Brokerhäuser wurde von der deutlich gestiegenen, allgemeinen Unsicherheit sowie schwächeren chinesischen Wirtschaftsdaten beeinflusst. Positiv wirkte sich die schnelle Reaktion Chinas mit entsprechenden Infrastrukturmaßnahmen und weiterer Stimuli für einen der weltweit größten Nachfrager und Verbraucher von Rohstoffen aus. Die befragten Analysten erwarten einen durchschnittlichen Cash-Preis von USD 22.000,00/mt, was in etwa dem jetzigen Preisniveau entspricht. Daraus würde sich für das Gesamtjahr 2022 ein Kurs von gemittelt USD 25.314,00/mt ergeben.

Für das Folgejahr 2023 erwarten die Marktbeobachter einen Durchschnitt von nur noch USD 21.000,00/mt; im Jahr 2021 hatte der Durchschnitt noch bei USD 18,476,00/mt gelegen. Maßgeblich für den Rückgang ist die erwartete Ausweitung des Angebotsüberschusses bei Primärnickel von durchschnittlich geschätzten 50.500 Tonnen in 2023 gegenüber 23.000 Tonnen in 2022. Doch wie oben bereits angemerkt kann sich durch die jeweilige Verfügbarkeit von Edelstahlschrott und der anderen Rohstoffe oder eine entsprechende Verbesserung von Nachfrage und Auftragsbücher diese Bilanz schnell wieder ändern.

worldstainless gibt Produktion des Q1 2022 bekannt
Nach 26 Jahren wird aus dem International Stainless Steel Forum (ISSF) die worldstainless. Dabei ist worldstainless als unselbständige Einheit inhaltlich sowie seitens Leitung und Budgets von der World Steel Association unabhängig, erhält aber deren administrative Unterstützung. Die wesentlichen Aufgaben bleiben von der Namensänderung unberührt. Wie deren Generalsekretär Tim Collins in einer Presseveröffentlichung sagt, hat man beim Relaunch einen großen Wert darauf gelegt, dem Gedanken der zirkulären Industrie und Nachhaltigkeit des Werkstoffs Edelstahl ein noch stärkeres Profil zu verleihen.

So wurden in der zweiten Junihälfte auch wieder die Zahlen zur Edelstahlschmelzproduktion veröffentlicht. In Summe wurden im 1. Quartal 2022 14,45 Millionen Tonnen hergestellt, was rund 1,7% mehr ist als im Schlussquartal von 2021. Gegenüber dem Q1 im Vorjahr ergibt sich hingegen ein Minus von 3,8%, wobei sich insbesondere China und die USA mit Rückgängen von minus 8,0% bzw. minus 8,8% besonders schwach entwickelten. Ein Rückgang in Europa von 2,5% gegenüber dem Vorjahresquartal kann man noch als moderat bezeichnen, wobei im Vergleich mit dem 4. Quartal 2021 der europäische Output sogar um 5,2% zulegen konnte. Die Zahlen machen deutlich, dass die Konjunktur in den verschiedenen Regionen nicht parallel verläuft, was auf globaler Ebene für einen gewissen Ausgleich der Entwicklung sorgt.

LME beauftragt Oliver Wyman mit Untersuchung des Nickelmarkts
Die London Metal Exchange hat die renommierte Unternehmensberatung Oliver Wyman mit einer unabhängigen Untersuchung der Ereignisse um den Nickelhandel im März 2022 beauftragt. Der traditionsreiche Handelsplatz stellte in den frühen Morgenstunden des 8. März 2022 den Nickelhandel für mehrere Tage ein, da die aufgerufenen Preise den Finanzmarkt zu destabilisieren drohten. Der Handelsstopp war erst das zweite Mal in der Geschichte, dass die 145 Jahre Rohstoffbörse den Handel mit einem ihrer Metalle aussetzte.

Das Beratungshaus Oliver Wyman wird sich bei seiner Untersuchung nicht nur die Richtlinien, die Prozesse und die Daten der LME anschauen, sondern auch die Handelsdaten aus den OTC (over the counter) Geschäften von Dritten analysieren. Im Mittelpunkt des Geschehens um den Short-Squeeze stand eine große Short (Verkaufs) Position eines chinesischen Unternehmens, das seine Positionen größtenteils als OTC Produkte bei Banken hielt, welche für die LME und deren Clearinghaus, so die bisherigen Angaben, nicht sichtbar waren. Seit Juli 2022 herrscht nun eine zusätzliche Meldepflicht solcher OTC-Positionen an die LME, um diese Lücke zu schließen.

Die Analysen seitens Oliver Wyman werden voraussichtlich bis zum Ende des Jahres dauern. Langfristig sollen die Ergebnisse die Widerstandsfähigkeit des LME Nickelmarktes verbessern, schreibt die LME in ihrer Pressemitteilung. Die Beauftragung von Oliver Wyman fällt in den gleichen Zeitraum, in dem auch die britische Finanzaufsicht (Bank of England/Financial Conduct Authority) die Ereignisse parallel untersucht. Derzeit wird die LME von Investoren auf mehrere Hundert Millionen britische Pfund wegen entgangener Gewinne verklagt, aufgrund des Stornos von LME Transaktionen im Zusammenhang mit der Marktverwerfung im März 2022.

EU muss Rohstoffabhängigkeit reduzieren
Die Europäische Union bemüht sich um eine Autonomie bei kritischen Mineralien und Metallen, um die hohe Nachfrage im Zusammenhang mit der Energiewende zu decken, so die Teilnehmer des EIT-Rohstoffgipfels in Berlin, der bereits vor einigen Wochen stattfand. Im Rahmen des Gipfels wies Maroš Šefčovič, Vizepräsident der Europäischen Kommission, auf Engpässe ab dem Jahr 2030 hin und warnte sogar, dass es ohne eine ausreichende Rohstoffversorgung keinen Green Deal geben werde. Um Europas Abhängigkeit von Drittstaaten zu verringern, muss die Staatengemeinschaft ihre Sicherheit der Rohstoffversorgung stärken, strategische Partnerschaften schließen und das Recycling ausweiten, verkündete Šefčovič.

Der Leiter der Abteilung für kritische Materialien unter der französischen Regierung und ehemaliger CEO von PSA Peugeot, Philippe Varin, forderte, dass höchstens 25 Prozent der Gesamtversorgung eines Materials aus nur einer Region stammen dürfen. Derzeit werden seltene Erden zu 95% aus China bezogen. Ein Mitarbeiter des Industrieverbands Eurometaux prognostizierte, dass erst ab dem Jahr 2050 65% bis 75% der Rohstoffnachfrage durch das Recycling gedeckt werden kann.

Edelstahl der Produktlinie Circle Green Core besteht zu 98% aus nachhaltigen Schrotten
Der finnische Edelstahlhersteller Outokumpu hat die Produktlinie Circle Green Core eingeführt, die einen um 92% geringeren CO2-Fußabdruck aufweist, verglichen mit dem weltweiten Durchschnitt bei der Edelstahlproduktion. Nach Angaben des Herstellers wurden Verbesserungen in der gesamten Produktionskette vorgenommen, die zu einer Verringerung der Emissionen führten. Der größte Beitrag beim Einsparen von Emissionen kam jedoch aus der Schrotteinsatzquote, die bei der neuen Produktlinie bei 98% liegt. Denn das Substituieren von Primärrohstoffen durch das Verwenden von Edelstahlschrotten ist der wichtigste Beitrag für die Umwelt, so ein Sprecher Outokumpus auf Nachfrage des Nachrichtenportals Recycling Today.

Die drei größten europäischen Edelstahlhersteller Acerinox, Aperam und Outokumpu berichten allesamt in ihren Nachhaltigkeitsberichten bereits jetzt schon über Schrotteinsatzquoten von ca. 90%.

Indonesien plant neue Zölle im Nickelsektor
Indonesien, der weltweit größte und am schnellsten wachsende Produzent von Nickel, hat die Ausfuhr von Nickelerzen im Jahr 2020 verboten, um die nachgelagerte Wertschöpfung im Inland zu erhöhen. Präsident Joko Widodo wollte durch die Maßnahme vor allem Investitionen für sein Land erschließen, Steuereinnahmen erhöhen und Arbeitsplätze schaffen. Seitdem werden die Nickelerze in Indonesien zu Nickel Pig Iron verarbeitet und erst dann hauptsächlich nach China exportiert. Dort werden Sie als wesentlicher Rohstoff in der Edelstahlproduktion verwendet. Der Newsletter berichtete regelmäßig über die aktuellen Entwicklungen in dem nach der Bevölkerung viertgrößten Landes der Welt.

Nun überlegt die indonesische Regierung den Export des indonesischen Rohstoffs in aufbereiteter Form weiter zu erschweren, da Nickel Pig Iron noch immer zu wenig inländische Wertschöpfung enthält. Gegenüber dem Nachrichtenportal Reuters teilte ein Regierungssprecher mit, dass fertiger Edelstahl oder zumindest Nickelsulfat exportiert werden sollte. Als Konsequenz überlegen indonesische Unternehmen sich nun auf die Verarbeitung von Nickelerzen zu nickelhaltigen Vorprodukten für die Batterieherstellung zu fokussieren. Damit könnte die indonesische Regierung durch ihr Handeln das Angebot für die Batterieproduktion stärken und zu einer Rohstoffverknappung im Edelstahlsektor beitragen, warnt der Kolumnist Andy Home in einem Beitrag auf dem Nachrichtenportal Reuters.

LME (London Metal Exchange)

LME Official Close (3 Monate)
18. August 2022
  Nickel (Ni) Kupfer (Cu) Aluminium (Al)  
Official Close
3 Mon.Ask
21.860,00
USD/mt
8.016,00
USD/mt
2.414,00
USD/mt
 
LME Bestände in mt
  17. Juni 2022 18. August 2022 Delta in mt Delta in %
Nickel (Ni) 68.868 56.010 – 12.858 – 18,67%
Kupfer (Cu) 118.025 126.475 + 8.450 + 7,16%
Aluminium (Al) 407.875 274.525 – 133.350 – 32,69%

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