Nickelnotierungen steigen. Fundamentaldaten geben den Ausschlag. Industriemetalle auch im Fokus der Investoren. Datenverfügbarkeit in der Krise wird immer besser. Aussage- und Prognosequalität steigen.

V-förmige Erholung in China. In Europa wird eher eine „Quadratwurzel“ erwartet. Historische Einbrüche der Wirtschaftsaktivität im 2. Quartal auch in Europa und den USA. Hohe Sparquoten verschieben den Konsum.

Diversifizierte Volkswirtschaften weniger betroffen. Industrie getroffen, aber weit weniger stark als der Dienstleistungssektor. Ist sich die Politik des wirklichen Mittelbedarfs der Rettungsmaßnahmen bewusst?

LME erweitert Spektrum im Bereich Schrott. Grüne Revolution und Nachhaltigkeit sind die Stichworte. Die LME wird von der Öffentlichkeit getrieben. Der Edelstahl(schrott)kontrakt lässt weiter auf sich warten.

Anstieg setzt sich fort – neuer Höchststand
Ähnlich zum Bild an den internationalen Aktienbörsen, setzte sich auch der Anstieg der Nickelnotierung an der London Metal Exchange (LME) fort. Inzwischen wurde ein neues Hoch bei USD 14.785/mt markiert. Im Vormonat lag der Kurs zunächst noch unter USD 13.000/mt, konnte sich dann aber befestigen, ohne jedoch die Marke von USD 14.000/mt zu erreichen. So lag der Juli-Durchschnitt des 3-Monats-Nickel-Futures auch „nur“ bei USD 13.389/mt. Nun wäre es zu einfach, den Anstieg der Nickelpreise lediglich auf die expansive Geldpolitik der Zentralbanken und eine entsprechend positive Investorenstimmung zurückzuführen. Sicher spielt das zu einem gewissen Teil auch eine Rolle und lässt einen mitten in der Krise, insbesondere bei den Aktien, ungläubig die Augen reiben. Es liegen jedoch zunehmend mehr Fundamentaldaten und Indikatoren vor, die – zumindest für den Moment zu belegen scheinen –, dass die Talsohle der wirtschaftlichen Entwicklung erst einmal durchschritten wurde und es wieder aufwärts geht.

Breitere Datenbasis ermöglicht bessere Einschätzungen
Waren zu Beginn der Krise jegliche Einschätzungen wegen fehlender Daten und Vergleichsperioden mit sehr großen Unsicherheiten behaftet, so konnte der Chefvolkswirt der HSBC Deutschland, Stefan Schilbe in seinem Webinar vom 18. August 2020 über die volkswirtschaftliche Lage und Aussichten auf größere Datenkränze der bisherigen Krisenmonate seit Beginn des Jahres zurückgreifen. Dies ließ auch solidere Aussagen über die Standortbestimmung zu. Die weltweiten Einkaufsmanagerindizes (PMI – Purchasing Managers‘ Index), welche Aussagen über die Beschaffungsaktivitäten der Unternehmen machen und damit ein wichtiger Frühindikator sind, haben im April 2020 den Tiefpunkt erreicht. Bereits die Juli-Daten zeigten sich deutlich erholt und weitgehend wieder auf Wachstum getrimmt.

Wirtschaftsdaten aus China belegen inzwischen, dass die Erholung dort V-förmig verläuft, wobei zuletzt allerdings eine gewisse Verlangsamung festzustellen ist. Sektoral gibt es aber erhebliche Unterschiede. In den USA hingegen bleiben die Konsumenten skeptisch. Kein Wunder, war dort die Arbeitslosigkeit von 3,5% aufgrund der sehr flexiblen Arbeitsmarktgesetze, quasi aus dem Stand, auf 14,7% hochgeschnellt. Aktuell hat sich diese leicht verbessert, liegt aber immer noch bei rund 10%. Da kommt sicher keine Konsumlaune auf, denn auch das Bruttosozialprodukt (BSP) wird nach den Erwartungen der HSBC in 2020 im historischen Ausmaß von 6,4% schrumpfen. Für 2021 rechnet man dann wieder mit einem Wachstum des BSP von 3-4%, so dass im kommenden Jahr noch nicht das Vorkrisenniveau erreicht werden wird.

Sparquoten steigen und verschieben den Konsum
Beinahe überall auf der Welt sind daher auch die Sparquoten der Verbraucher deutlich gestiegen. Dadurch staut sich letztlich Nachfrage auf, die erst zu einem späteren Zeitpunkt wirksam werden wird. Um für eine möglichst baldige Entladung dieses Nachfragestaus zu sorgen, hatte die deutsche Regierung eine temporäre Senkung der Mehrwertsteuer von 19% auf 16% bis zum Jahresende verabschiedet, um damit vor allem den privaten Konsum anzukurbeln. In der Europäischen Union ist das Bild ähnlich. Schon seit acht Quartalen manifestiert sich eine industrielle Rezession, bevor es im 2. Quartal 2020 dann auch noch bedingt durch Covid-19 zu einem weiteren Absturz kam. Die Investitionsgüternachfrage, so die HSBC, war schon vor Corona angeschlagen, hat aber nun ebenfalls den Tiefpunkt gesehen. Für Q3 2020 besteht daher die klare Erwartung, dass die Rezession für die Industrie erst einmal vorüber ist.

Jedoch gibt es erhebliche Unterschiede in der Ausprägung der Krise zwischen den einzelnen Ländern, welche nicht nur auf den Zeitpunkt des Ausbruchs der Pandemie zurückzuführen sind, sondern vor allem auch auf die Struktur der jeweiligen Volkswirtschaften. Es hatte sich schon während der Finanz- und Staatsschuldenkrise 2008/2009 gezeigt, dass ein gesunder Mix von Branchen und Sektoren in der Regel die Vulnerabilität durch Diversifikation deutlich reduziert hat. So konnte sich in dieser Krise trotz allem auch die Industrie – unabhängig von den vorherigen Anmerkungen – im unmittelbaren Vergleich gut behaupten.

Diversifizierte Wirtschaft mindert das Risiko
So betrug der Wirtschaftseinbruch des BSP in Deutschland im 2. Quartal 2020 nur rund 10% während dienstleistungslastige Volkswirtschaften, wie beispielsweise Großbritannien, mit einem Minus von rund 20% deutlich stärker betroffen waren. Mit einem Mal kommt so neben der Digitalwirtschaft auch die Old Economy wieder zu Ehren. Das zeigt sich auch in China, wo der mit dem Hochschnellen der Industrieproduktion verbundene Rohstoffbedarf auch die Metallnachfrage und -preise steigen lässt. Und die chinesischen Einkaufsmanager scheinen sich zusätzlich – wie bereits in vorherigen Schwächeperioden – auf attraktiven Preisniveaus für die Zukunft zu bevorraten.

Dennoch ist trotz positiver Vorzeichen, anders als in China, für Deutschland und Europa nicht mit einer V-förmigen Erholung zu rechnen, sondern wohl eher mit einer Wachstumskurve in Form einer Quadratwurzel. Einer schnellen Erholung auf ein niedrigeres Level folgt dann eine längere Periode geringeren Wachstums. Deshalb geht die HSBC für Deutschland auch erst für 2021 mit einem Erreichen der Vorkrisenniveaus von 2019 aus. Auch bleibt abzuwarten, wie sich die vorübergehende Aufhebung der Insolvenzantragspflicht auf die weitere Entwicklung auswirkt, eine Tatsache, die auch die Kreditversicherungen genau im Auge haben.

Wahrscheinlich ist es so, wie in dem von Herrn Schilbe erwähnten Zitat des Starinvestors Warren Buffet: „Wenn die Ebbe kommt, wird man sehen, wer ohne Badehose schwimmt“. Den sehr schwachen USD-Dollar zum Euro, der gegenwärtig bei über 1,19 USD/EURO handelt, hält die HSBC übrigens für übertrieben und nicht durch konjunkturelle Unterschiede bedingt. Eher sieht man hier politische und spekulative Gründe, daher sollte der USD zum Jahresende, so die Prognose, wieder auf 1,10 USD/EURO erstarken.

Ist sich die Politik der Kosten bewusst?
Die vorstehende, grundsätzlich positive Entwicklung wird auch die deutsche Politik freuen, kann man doch den Erfolg, vor den im kommenden Jahr anstehenden Parlaments- und Regierungswahlen, gut gebrauchen und wird diesen – wie gewohnt – auch gerne für sich reklamieren. Jedoch darf man sich noch nicht allzu sicher sein, denn immer noch kann die sehr dynamische Pandemie alles wieder auf den Kopf stellen und, das wird gerne ausgeblendet, die gigantischen Rettungsmaßnahmen, welche zum Teil mit der Gießkanne verteilt wurden, haben einen horrenden Preis. Diesen haben vor allem kommende Generationen zu tragen.

Auch gibt es einen erheblichen Unterschied zu der Finanz- und Staatsschuldenkrise von 2008/2009. Seinerzeit ging es vor allem um die Stabilisierung des Finanzsektors, welcher durch entsprechende geldpolitische Maßnahmen der Zentralbanken, vor allem aber auch durch Vertrauenszusicherung und -bildung durch Regierungen und Zentralbanken, aber auch die umfangreiche Übernahme von Garantien erreicht wurde. In der Retrospektive waren diese Haftungsübernahmen in ebenfalls riesigem Umfang notwendig und erfolgreich. Vielfach waren diese Garantien aber nach erfolgter Beruhigung und Erholung der Märkte gar nicht mehr notwendig, so dass die Kosten der Krisenbewältigung im Nachhinein deutlich schrumpften. Mitunter konnten gewisse ausgelagerte, toxische Wertpapierportfolios sogar mit Gewinnen oder zumindest geringer als erwarteten Verlusten zu Gunsten des Fiskus verkauft werden.

Gesamte Wirtschaft ist betroffen und erfordert Ernsthaftigkeit
Das ist heute definitiv anders. Die Wirtschaft ist in der gesamten Breite betroffen. Im Juni waren über 12 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland in Kurzarbeit gemeldet. Und diese Menschen bekommen keine Garantien, sondern echtes Geld. Wie zuletzt durch die Medien berichtet, interessieren sich aufgrund der krisenbedingten Schwierigkeiten 60 Unternehmen für eine direkte Kapitalbeteiligung des Staates an den Gesellschaften, wie bereits bei der Lufthansa vorexerziert. Bei 14 Unternehmen läuft sogar schon eine konkrete Prüfung. Diese Unternehmen benötigen auch echtes Geld. Diese Punkte belegen also, dass man es dieses Mal mit einer noch anderen Dimension zu tun hat und es mit virtuellen Geldbeträgen nicht getan ist.

Ob das den politischen Entscheidungsträgern bewusst ist, darf bezweifelt werden. Wenn der „bayerische König“, Ministerpräsident und Aspirant auf die Kanzlerschaft Söder wie bei einem Maskenball in Sissi-Manier mitten in der Krise Bilder mit der (Noch-)Kanzlerin von Schloss Herrenchiemsee verbreitet, mit Kindern in Trachtenkleidung und so weiter, wundert einen gar nichts mehr. Aber der Bevölkerung scheint es zu gefallen, so dass man dem Vorreiter der bundesdeutschen Corona-Bekämpfung gerne applaudiert und auch so einen Lapsus, wie die tagelange Nicht-Information von mutmaßlich Infizierten, aus unerklärlichen Gründen gerne durchgehen lässt.

LME will neue Kontrakte anbieten, um die „Green Revolution“ zu unterstützen
Die LME setzt den eingeschlagenen Weg fort, einen grünen Wandel zu mehr Nachhaltigkeit zu bewirken. In einem Mitte August 2020 veröffentlichtem Diskussionspapier beschreibt die Rohstoffbörse, wie sie den globalen Erwartungen, hinsichtlich ethischer und ökologischer Verantwortung, Rechnung tragen möchte. In dieser Veröffentlichung steht der Recyclingsektor im Mittelpunkt, da die Wiederverwendung von Rohstoffen einen zentralen Platz bei Erreichung einer nachhaltigen Wirtschaft einnehmen wird.

Im Detail werden drei neue Produktkategorien aufgeführt: ein Aluminiumschrott-Kontrakt für den US-amerikanischen Markt, um die Attraktivität von Dosenschrott zu erhöhen, ein Lithium-Kontrakt, um Risikomanagement für die Batterie- und Autoindustrie anzubieten sowie zwei weitere Stahlschrott-Kontrakte für Indien und Taiwan, nachdem Stahlschrott-Kontrakte schon für die USA und China eingeführt wurden. Da ist der Weg zu einem Edelstahlschrott-Kontrakt nicht mehr weit.

Auch spricht die LME mit den neuen Finanzprodukten zugleich neue Kunden an, die das jeweilige Risiko bisher nicht absichern konnten. Ob die neuen Hedging-Instrumente Marktakzeptanz finden, bleibt abzuwarten. Nicht alle jüngsten Einführungen waren erfolgreich gewesen, denn diese konnten die notwendige Börsenliquidität nicht erreichen. Im Vergleich zu anderen Kontrakten, wie z.B. der Nickel-Future, unterliegen die neuen Produkte nicht einer physischen Lieferung, sondern die Preisveränderungen werden ausschließlich in Geldbeträgen ausgeglichen.

Bereits Ende 2018 hatte die LME in einem Vorstoß zu mehr Nachhaltigkeit bekanntgegeben, den OECD-Leitfaden zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht in Lieferketten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebieten ab dem Jahr 2022 einhalten zu wollen. Ende April 2019 revidierte die LME dieses Ziel für den Rohstoff Kobalt. Zu viele Kobaltproduzenten fühlten sich nicht in der Lage, innerhalb einer so kurzen Zeit diese Vorgaben zu erreichen.

LME (London Metal Exchange)

LME Official Close (3 Monate)
20. August 2020
  Nickel (Ni) Kupfer (Cu) Aluminium (Al)  
Official Close
3 Mon.Ask
14.707,00
USD/mt
6.584,50
USD/mt
1.791,50
USD/mt
 
LME Bestände in mt
  24. Juli 2020 20. August 2020 Delta in mt Delta in %
Nickel (Ni) 234.636 239.304 + 4.668 + 1,99%
Kupfer (Cu) 141.725 104.425 – 37.300 – 26,32%
Aluminium (Al) 1.649.275 1.578.200 – 71.075 – 4,31%

Oryx Rohstoff News

Der Oryx Stainless Newsletter informiert über aktuelle, branchenrelevante Themen.