Nach dem Hoch folgt die Konsolidierung bei Nickel. Überkaufter Zustand muss abgebaut werden. Anstieg nicht nur rein spekulativ. Allerdings beträgt das Derivatevolumen ein Vielfaches des physischen Marktes.

Bundesregierung will eine wettbewerbsfähige und klimafreundliche Stahlproduktion in Europa. Der Schrotteinsatz ist anders als Wasserstoff wirklich ein Allheilmittel. Es bedarf einer neuen Analyse.

Elon Musk braucht Rohstoffe für die Batterieproduktion. Er verspricht in fast Trumpscher Rhetorik einen „gigantischen Vertrag“. Nur billig muss es sein und natürlich klimafreundlich. Man wird sehen.

China baut Weltmarktanteil in der Edelstahlproduktion in 2020 aus. V-förmige Erholung gibt Rückenwind. Indonesien von Null auf Hundert seit 2017. Und das trotz Handelsbarrieren.

Nach dem Hoch folgt die Konsolidierung
Die Nickelpreise an der London Metal Exchange (LME) gönnen sich nach Erreichung eines neuen Hochs am 3. September 2020 von USD 15.810,00/mt eine Verschnaufpause. Man sagt, die Preise konsolidieren, denn der Anstieg ging sehr schnell und beinahe linear, was die Notierungen in einen sogenannten überkauften Bereich brachte. Das schreit unter einer technischen Analyse und Betrachtung wiederum nach einer Korrektur. Es muss erst einmal wieder kontrolliert etwas Luft entweichen, damit keine artifizielle Blase entsteht, die dann platzen könnte. Allerdings darf bei dem Kursanstieg nicht vergessen werden, dass sich der Außenwert des US-Dollars in diesem Zeitraum teilweise nicht unerheblich gemindert hat. Damit sah der Nickelpreis ausgedrückt in anderen Währungen weniger stark aus. Die derzeit gute, weltweite Nachfrage nach Edelstahlschrott zeigt aber, dass der Anstieg bei Nickel sicher nicht nur einen spekulativen Hintergrund hat.

Warum in diesem Zusammenhang die Edelstahlproduzenten Preisreduzierungen für Rohstoffe durchsetzen möchten, ist zwar grundsätzlich immer verständlich, dürfte aber nicht nur einem Wirtschaftsprofessor unverständlich bleiben, denn Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Und warum bei einer gestiegenen Nachfrage und einem zumindest nicht ebenbürtig gestiegenen Angebot Preise fallen sollen entzieht sich der üblichen marktwirtschaftlichen Logik. Natürlich gibt es auch so etwas, was man Verhandlungstaktik nennt. Diese muss nicht immer rational sein, führt aber nur selten auch dauerhaft zu irrationalen Ergebnissen. Außerdem darf es nach vielen Jahren der Käufermärkte für Rohstoffkonsumenten auch mal wieder sein, dass der Wind sich dreht und man es derzeit eher mit Verkäufermärkten zu tun hat.

Handlungskonzept Stahl gibt Eindruck von der Zukunft
Die deutsche Bundesregierung hat vor kurzem das „Handlungskonzept Stahl“ für eine starke Stahlindustrie in Deutschland und Europa veröffentlicht. Dieses ist beachtenswert und gibt einen Eindruck darüber, wie die heimische Stahlindustrie in der Zukunft aussehen könnte. Die Publikation kann unter dem folgenden Link heruntergeladen werden: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Wirtschaft/handlungskonzept-stahl.pdf?__blob=publicationFile&v=12 . Unter https://www.bmwi.de/Redaktion/EN/Publikationen/Wirtschaft/the-steel-action-concept.pdf?__blob=publicationFile&v=3 findet sich die englische Fassung der Schrift.
Das 24-seitige Konzeptpapier befasst sich mit drei wesentlichen Aspekten. Einmal soll ein starkes Zeichen für klimafreundlichen Stahl „made in Germany“ – häufig wird in diesem Zusammenhang auch von Green Steel gesprochen – gesetzt werden. Zum anderen legt die Bundesregierung ein politisches Gesamtkonzept für eine langfristig starke, international wettbewerbsfähige und klimaneutrale Stahlindustrie am Standort Deutschland und Europa vor. Es ist auch als ein Bekenntnis der Regierung zu verstehen, dass Stahl langfristig innerhalb Europas bei Beachtung der Umwelt- und Klimaschutzstandards konkurrenzfähig produziert werden soll.

Ohne eine Chancengleichheit auf dem globalen Stahlmarkt geht das nicht und so beschäftigt sich das Konzeptpapier auch damit, wie durch entsprechende Instrumente, wie eine umfangreichere CO2-Bepreisung und Ausgleichsmaßnahmen an den Außengrenzen der EU, Wettbewerbsnachteile durch die sogenannte Carbon Leakage vermieden werden können. Ebenso besteht die Chance, durch eine Umstellung auf eine CO2-arme und langfristig möglichst CO2-freie Stahlproduktion zum Vorreiter innovativer Klimaschutztechnologien zu werden.

So ist es auch überhaupt nicht erstaunlich, dass auf Seite 18 der Broschüre unter der Überschrift Förderung der Kreislaufwirtschaft folgender Satz zu lesen ist: „Grundsätzlich möglich wäre es, Anreize auf der Nachfrageseite für CO2-arm, CO2-neutral und CO2-frei produzierte Grundstoffe zu schaffen, indem der Einsatz von Stahlschrotten bei der Werkstoffherstellung honoriert wird.“ Mit anderen Worten, es besteht ein Schrottbonus in Form von erheblichen gesellschaftlichen Wohlfahrtsgewinnen durch vermiedene Umweltschäden und weitere Vorteile, der schleunigst in den Preismechanismus überführt werden muss. Vgl. hierzu auch die Studie „Schrottbonus“ der Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen e.V. (BDSV).

Für den Geschmack des Autors konzentrieren sich aber die Ausarbeitung und auch die weitere öffentliche Diskussion und Kommunikation bei den Technologien zu stark auf den Einsatz von Wasserstoff. Bei genauerer Betrachtung ist das wohl auf die bestehende, historisch gewachsene Produktionsinfrastruktur in der Stahlproduktion in Deutschland und die Lobbyarbeit des entsprechenden deutschen Stahlverbands Wirtschaftsvereinigung Stahl zurückzuführen. Denn traditionell überwiegen in der deutschen Stahlproduktion die Hochöfen, bei denen der Einsatz des CO2-günstigen Stahlschrotts technisch limitiert ist.

Diese Tatsache hatte schon in der Vergangenheit zu obskuren Marketingaktionen geführt, in denen durch eine Studie belegt werden sollte, dass aus Stahl so klimafreundliche Produkte wie etwa Windräder produziert würden, weshalb der Hochofenstahl doch eigentlich ein äußerst klimafreundlicher Werkstoff sei. Nun ist Wasserstoff in aller Munde und in der Tat auch eine Option. Doch es stellt sich die Frage, ob der Ersatz von Kokskohle durch Wasserstoff auch tatsächlich die beste Option ist. Denn die Produktion von Stahl aus dem Elektrolichtbogenofen auf Basis von Stahlschrott stellt schon heute unter der Annahme des Einsatzes von grünem Strom eine extrem klimagünstige Form der Stahlproduktion dar.

Nun darf man keinen Marktteilnehmer wegen seiner historischen Infrastruktur verdammen oder auf dem Weg der Transformation zurücklassen, aber es wäre durchaus einen Gedanken wert, die Evolution der Stahlwirtschaft in Richtung Wasserstoff einmal ökonomisch und ökologisch einem direkten Vergleich zu unterziehen. Stahlschrott ist vermutlich ausreichend in Europa vorhanden, denn heutzutage wird, auch wegen der technischen Einsatzbeschränkungen im Hochofen, ein nicht unerheblicher Teil des Schrotts exportiert und sorgt so immerhin an anderer Stelle für einen Schutz des Weltklimas. Würde hingegen ein größerer Teil dieses Schrotts innerhalb Europas eingesetzt, würde sich zusätzlich eine CO2-Ersparnis aus den kürzeren Transportwegen ergeben.

Rein aus dem Bauch heraus, könnte man daher die Hypothese formulieren, dass eine von der EU geförderte Umstellung der Infrastruktur in Richtung Elektrolichtbogenofen – zum Beispiel durch die Bereitstellung günstiger, langlaufender Kredite – in beiden Dimensionen überlegen ist. Nun werden die eingefleischten Hütteningenieure und Stahlwerker gleich anfangen zu schreien, dass die Produktion von Qualitätsflachstählen aus Schrott wegen bestehender Verunreinigungen doch gar nicht möglich sei. Dem muss man entgegnen, dass es heute, dem Vernehmen nach, bereits Stahlproduzenten gibt, die hochqualitative Flachstähle aus Schrott im Elektrolichtbogenofen herstellen. Dazu zählen Kohlenstoffstahl-Produzenten wie Nucor Corporation in den USA und Arvedi in Italien ebenso, wie fast alle Global Player in der Edelstahl Rostfrei Produktion außerhalb Chinas und Indonesiens.

Sicher kann je nach dem die Qualität der Stahlschrotte auch noch verbessert werden, jedoch wurde in Deutschland und Europa darauf mitunter verzichtet, weil die Abnehmer der Sekundärrohstoffe nicht bereit waren, diese höheren Qualitätsmerkmale, die mit einem zusätzlichen Aufwand verbunden sind, zu vergüten. Es wäre in der Tat zu wünschen, dass einmal entsprechende, wissenschaftliche Studien zum Vergleich der Hochofen- und Elektrolichtbogenofen-Route zur vorstehenden Fragestellung durchgeführt werden. Denn intuitiv scheint klar: die Zukunft gehört in Deutschland und Europa der Stahlherstellung im Elektrolichtbogenofen mit grünem Strom und auf Basis des Einsatzes von Stahl- und Edelstahlschrott.

Schon mal vom Dunning-Kruger-Effekt gehört?
Mitte September erschien in der Tageszeitung Rheinische Post ein unbedingt lesenswerter Artikel unter dem Titel „Noch dümmer als gedacht“. Es geht darum, dass manche Leute zu dumm sind, um ihre Dummheit zu erkennen und deshalb zu allem Unterlass auch noch umso selbstbewusster auftreten. Der Artikel wird mit einem Bild illustriert. Es zeigt einen Mann mit einem Aluhut, der auf einer Demonstration gegen Corona-Beschränkungen teilnimmt und sein Mobiltelefon in Richtung von Gegendemonstranten hält. Offensichtlich möchte der Autor des Artikels oder die Zeitung bei Leserinnen und Lesern unterschwellig gleich noch eine weitere Schlussfolgerung hinterlegen, die man aber inzwischen auch als ein wenig simplifizierend und abgedroschen bezeichnen kann. Dabei ist der Artikel aller erste Sahne.

So werden zu dem in der Wissenschaft unter dem Namen Dunning-Kruger-Effekt sowie Hochstapler-Syndrom bekannten Phänomen zahlreiche bunte Beispiele gebracht. So von dem Bankräuber, der in Pittsburgh im Jahr 1995 zwei Banken überfallen hatte, jedoch ohne sein Gesicht zu verdecken. Aufgrund der Überwachungskameras wurde der Täter schnell gefasst. Bei der Vernehmung gab er an, dass er sein Gesicht mit Zitronensaft eingerieben hatte, und sich mit dieser „Zaubertinte“ unsichtbar für die Kameras wähnte. Alle Alkohol- und Drogentests fielen negativ aus. Der Täter war offensichtlich außergewöhnlich dumm. Auch wenn man an das eigene Erleben im Alltag denkt, fallen einem bei kurzem Nachdenken nicht wenige Situationen oder auch (öffentliche) Personen ein, die man mit dieser Erscheinung in einen Zusammenhang bringen kann.

Die Dummheit der Menschen kennt keine Grenzen, möchte man meinen. Doch Vorsicht! Das Schöne ist nämlich auch, dass man mit dieser Feststellung – und in diesem Punkt wäre der Zeitungsartikel an dieser Stelle zu ergänzen – nie allzu sicher und zu arrogant sein sollte. Denn vielleicht ist man auch selbst gar nicht zur Einsicht darüber fähig, dass man dümmer ist, als die Polizei erlaubt und ein lauter Hochstapler noch dazu. Insofern sind aber solche Artikel und Berichte darüber für die jeweiligen Autoren nicht ungefährlich, denn könnte es sich bei diesen doch selbst um die dümmsten Hunde (natürlich ohne hier irgendwelche Hunde und deren Besitzer zu diskriminieren, denn diesen Zusatz muss man ja heute besser machen) unter der Sonne handeln.

Die Dominanz der Derivate
Die Rohstoff-Experten von Macquarie haben kürzlich die Größe der Derivatenmärkte für Rohstoffe genauer untersucht und die jeweiligen Finanzprodukte zu ihrem Basiswert in ein Verhältnis gesetzt. Dabei wurde deutlich, dass der Derivatenmarkt das physische Handelsvolumen oft um ein Vielfaches übersteigt. Bei Silber beträgt das Verhältnis 193,4 oder das 193,4-fache, bei Nickel 86,0 und Gold 73,5. Aluminium hat „nur“ ein Verhältnis von 6,9. Die Autoren begründen die unterschiedlichen Verhältnisse vor allem durch die unterschiedlichen Kaufabsichten. Während Silber-Kontrakte beliebt bei Investoren sind, werden Aluminiumkontrakte vorwiegend von Unternehmen zu Hedging-Zwecken ge- und verkauft.

Des Weiteren analysieren die Autoren das sogenannte Open Interest der Derivate. Das Open Interest ist eine Kennzahl, die die Marktaktivität anzeigt. Ein hohes Open Interest bedeutet, dass viele Kontrakte offen sind. Daraus kann ein hohes Marktinteresse an dem jeweiligen Basiswert abgeleitet werden. Das höchste Open Interest haben die LME-Kontrakte Kupfer, Aluminium, Nickel und Zink.

Elon Musk ruft zur nachhaltigen Förderung von Nickel auf
Vor einigen Wochen rief der Unternehmer Elon Musk die Betreiber von Nickelminen dazu auf, den Output zu erhöhen. Während der Ergebnisvorstellung des zweiten Quartals versprach der Visionär sogar demjenigen einen „gigantischen Vertrag“, der Nickel für die Batterieproduktion liefern könne, zu einem günstigen Preis und mit einem möglichst geringen ökologischen Fußabdruck.

Daraufhin griffen einige Medien und Branchenkenner das Thema auf. So verwies der Informationsdienstleister Bloomberg auf die jüngsten Zwischenfälle in der Industrie: Der kürzliche Unfall von Nornickel in Russland und die aufgeplatzte Abfallpipeline in Papua-Neuguinea seien Belege dafür, wie schwer es ist, zugleich ökologisch und effizient zu arbeiten, so das Nachrichtenportal. Weiter zitierte Bloomberg einen Fachmann, der erläuterte, dass die südasiatischen Nickelminen mit Kohle, Heizöl oder Diesel betrieben werden, was die Elektromobilität zu einer Farce mache. Die Rohstoff-Experten von Macquarie bezeichneten die fehlende Nachhaltigkeit der indonesischen Nickelindustrie als Achillesferse. Darüber hinaus mutmaßten die Autoren eher über ein zukünftiges Überangebot und fragten sich, ob Minen sogar schließen werden. Letztlich ist alles von der weiteren Entwicklung und Verbreitung der Elektromobilität abhängig.

In der zweiten Septemberwoche berichtete das Portal Refinitiv über Gespräche zwischen Tesla und dem kanadischen Bergbauunternehmen Giga Metals über die Förderung von Nickel bei gleichzeitig geringen Kohlendioxid-Emissionen. Das Bergwerk arbeitet an einer umweltfreundlichen Methode, die die Abfälle aus dem Bergbaubetrieb, unter Verwendung von Kohlendioxid in der Atmosphäre und unter Nutzung von Wasserkraft, in zementartiges Gestein umwandelt. Keines der beiden Unternehmen äußerte sich offiziell über die mögliche Kooperation.

China und Indonesien haben einen weltweiten Produktionsanteil von ca. 67%
Dass der Edelstahlmarkt vor allem in Asien wächst, ist nicht neu. Dies belegen immer wieder zahlreiche Statistiken. Betrug die indonesische Edelstahlproduktion im Jahr 2017 noch nahezu null, werden es Ende des Jahres 2020 voraussichtlich beachtliche 2,588 Millionen Tonnen sein, was einem Weltmarktanteil von 5% entspräche. China wird, auch wegen der Coronakrise, seine Dominanz weiter ausbauen und auf einem Anteil von geschätzt 62% kommen. Chinas Marktanteil wächst dieses Jahr allein um 5%, da bei der chinesischen Edelstahlproduktion eine deutliche V-Kurve der Erholung zu erkennen ist. Ferner ist dieses Wachstum auch beachtlich, da beide Länder zahlreichen Handelsbarrieren ausgesetzt sind.

LME (London Metal Exchange)

LME Official Close (3 Monate)
21. September 2020
  Nickel (Ni) Kupfer (Cu) Aluminium (Al)  
Official Close
3 Mon.Ask
14.736,00
USD/mt
6.804,50
USD/mt
1.793,00
USD/mt
 
LME Bestände in mt
  20. August 2020 21. September 2020 Delta in mt Delta in %
Nickel (Ni) 239.304 236.502 – 2.802 – 1,17%
Kupfer (Cu) 104.425 78.425 – 26.000 – 24,90%
Aluminium (Al) 1.578.200 1.499.100 – 79.100 – 5,01%

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