Noch keine Tendenz für 2016. Treiber der Preisentwicklung gibt es viele: fundamental, makroökonomisch, spekulativ. Paradigmenwechsel on top. Analysten bemühen sich den Durchblick zu behalten.

Gesamtwirtschaftliche und weltpolitische Eintrübung. Rohstoffpreise aber nicht noch schwächer. Vielleicht schon antizipiert oder die letzte Korrektur war übertrieben. Alte Erklärungsmuster tragen nicht.

Niedrige Ölpreise werden zur Belastung für Aktienmärkte und zum Barometer für den Risikoappetit der Anleger. Wer den Zeitpunkt der Trendwende sucht, muss den Ölpreis beobachten. Aber nicht nur den.

Produktionskürzungen nehmen zu. Je nach Industriemetall aber noch nicht in ausreichendem Umfang. Primat der Politik zur Rahmengebung steht allgemein in Frage.

Seit Jahresbeginn sind nun zirka eineinhalb Monate vergangen und wie erwartet ist an den Rohstoffmärkten eine Tendenz für das Gesamtjahr 2016 noch nicht wirklich abzusehen. Zu viele und vor allem auch makroökonomische und spekulative Faktoren sind der Treiber der Preisentwicklung, dass es selbst langjährigen Marktbeobachtern schwer fiel und fällt, den Durchblick zu behalten. Nicht davon zu sprechen, aus der Gesamtheit von Einzelinformationen und –signalen eine sinnvolle und vor allem auch valide Prognose abzuleiten. Betrachtet man die Weltpolitik und auch die aktuellen Wirtschaftsdaten aus den einzelnen Kontinenten, ist gesamtwirtschaftlich eher eine weitere Eintrübung gegenüber 2015 festzustellen, doch scheint sich das nicht wesentlich auf der Rohstoffpreisseite auszuwirken.

Vielleicht sind die Preise einfach schon zu weit nach Süden gelaufen. Um allerdings ganz deutlich zu sein und keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, von einem kurz bevorstehenden Rebound kann gegenwärtig noch nicht die Rede sein. Allenfalls von einer gewissen Bodenbildung, aber Vorsicht, davon wurde auch auf anderen Preisniveaus im vergangenen Jahr immer wieder gesprochen. Als Erklärung könnte vielleicht auch dienen, dass die Entwicklung bereits von den Märkten antizipiert wurde oder, was vermutlich die wahrscheinlichere Variante ist, man weiß eigentlich gar nicht mehr so genau, was eigentlich die Preise bewegt.

Seit Beginn der Finanzkrise ist ein Strukturbruch oder Paradigmenwechsel festzustellen, der es fast unmöglich macht Entwicklungen in der Zukunft über Ableitungen und Fortschreibungen aus der Vergangenheit vorherzusagen. Umso wichtiger ist übrigens ein Hedging von Preisänderungsrisiken, nicht nur bei Rohstoffen, sondern auch bei Währungen und anderen Börseninstrumenten. Die Chartanalysten sprechen in diesem Zusammenhang auch vom sogenannten „uncharted territory“, vom Neuland also. Die Analysten sind gleichsam „off-road“ unterwegs und können daher auch kaum absehen, wohin das Fahrzeug sich im nächsten Augenblick bewegen muss, denn Wege, Straßen oder Autobahnen fehlen.

So schreibt die Commerzbank in ihrem Rohstoff Research, dass sich die stark gefallenen Ölpreise, anders als in der Vergangenheit, nicht positiv auf die Aktienmärkte auswirken, sondern im Gegenteil eher belastend. Für dieses Phänomen werden vor allem drei Erklärungen gesehen. Der Markt führt die Ölpreisschwäche auf einen nachfragebedingt geringeren Verbrauch zurück und nicht etwa auf die Angebotspolitik der OPEC als Mutter aller Kartelle (Nebenbemerkung: Wieso ist eigentlich dieses Kartell in Zeiten von Compliance und Kartellrecht scheinbar vollkommen legitim und akzeptiert?). Weiterhin sieht man im fallenden Ölpreis selbst systemische Risiken und letztlich gibt es auch Auswirkungen auf die längerfristigen Inflationserwartungen. Mit anderen Worten:  Deflationsangst wird geschürt. Die Commerzbank ist allerdings überzeugt, dass diese Ängste übertrieben sind und bei niedrigeren Ölpreisen für die meisten Volkswirtschaften die positiven Aspekte überwiegen.

Diese Orientierungslosigkeit ist aber nicht auf die Finanz- und Rohstoffmärkte beschränkt, auch die Politik scheint davon erfasst zu sein. Diese gibt zunehmend ein sehr trauriges Bild ab. Oder ist es umgekehrt? Die gegenwärtige Art und Kultur der politischen Diskussion und Entscheidungsfindung ist derart niederschmetternd, dass die Unternehmen und Investoren kaum den Mut fassen beziehungsweise kaum das Vertrauen in die Kompetenz der Regierungen haben, um langfristig in Vorhaben und Projekte aller Art zu investieren. Dabei wäre das so dringend nötig, denn Geld oder Kredit ist und wäre durch die expansive Geldpolitik der Zentralbanken ausreichend vorhanden. Nur fehlt der Glaube an die Zukunft und damit die (erwartete) Rendite.

Es ist daher auch nur wenig erstaunlich, dass seit längerem vor allem solche Vermögensgegenstände oder Assets gefragt sind, die in liquiden Märkten gehandelt werden und daher schnell wieder veräußert werden können oder solche, bei denen man wie zum Beispiel bei Immobilien, Kunst und Oldtimern aufgrund ihrer Natur eine gewisse Wertbeständigkeit über lange Zeiträume vermutet (trotz zwischenzeitlicher Wertschwankungen). Selbst die Nachfrage nach Gold ist zuletzt wieder merklich gestiegen, obwohl dieses Edelmetall als Krisenwährung schon abgeschrieben war. Was soll man daraus schließen? Man weiß es nicht. Paradigmenwechsel eben.

Die Staaten sollen sich nach reiner neoliberaler Ansicht und Lehre eigentlich aus der Wirtschaft heraushalten, allerdings einen geeigneten und möglichst perfekten rechtlichen und außenwirtschaftlichen Rahmen für die Unternehmenstätigkeit setzen.

Aber schon damit scheinen die meisten Länder aktuell hoffnungslos überfordert zu sein. Natürlich wird es irgendwann und bald auch wieder besser, man muss sich aber wohl fragen, was das dann mit dem Primat der Politik als Rahmengeber zu tun hat.

Die Nickelnotierungen an der London Metal Exchange (LME) zeigen sich in diesem Kontext weiter schwach und handeln gegenwärtig, wie schon Mitte Januar 2016, bei etwas um USD 8.200,00/mt. Zwischenzeitlich waren die Kurse durch eine höhere Risikoaversion, ökonomische China- (und neu auch USA-)Ängste sowie weiter sinkende Ölpreise auf ein Tief von USD 7.600,00/mt gefallen. Für den europäischen Referenzpreis für Ferrochrom wird mit einer weiteren Abschwächung im 2.Quartal  gerechnet. Die Eisen- beziehungsweise Stahlschrottpreise bleiben extrem schwach mit uneinheitlicher Tendenz, aber kaum Aussicht auf kurzfristige Erholung. Molybdän ist stabil auf niedrigem Niveau. Mehr und mehr werden allerdings Produktionskürzungen bekanntgegeben, wobei der Markt klar analysiert, ob es sich nur um Ankündigungen oder um tatsächliche Kürzungen handelt, doch sieht die Situation auch je nach Industriemetall recht unterschiedlich aus.

So ist die Angebotsverknappung bei Zink, Blei und Zinn schon relativ weit fortgeschritten und daher die Preisaussichten schon eher positiv. Bei Nickel gibt es immer noch einen strukturellen Angebotsüberhang (insbesondere durch die üppigen Börsen- und sonstigen Lagerbestände), der eine weitere Einschränkung des Angebots erfordert. Allerdings kann man hier mit ein wenig Mut schon von einem eher neutralen Preistrend sprechen, während Kupfer und Aluminium nach Analystenmeinungen hinsichtlich Marktgleichgewicht und Preiserwartung eher eine schwache Verfassung zeigen. Die Angebotsverknappung der äquivalenten Sekundärrohstoffe ist hingegen kaum das Ergebnis von bewussten Unternehmensentscheidungen, sondern systembedingt auf die hohe Preiselastizität des Angebots bei der Erfassung der Schrotte und in der Lieferkette zurückzuführen.

Ein Beispiel: Wenn heute bei Abbrüchen von alten Industrieanlagen aufgrund der niedrigen Rohstoffpreise die Auftraggeber Geld für die Durchführung der Abbrucharbeiten mitbringen müssen, weil die Schrottpreise, anders als in der Vergangenheit, nicht die Abbruchkosten decken, werden viele derartige Projekte eher verschoben. Die tatsächliche Umsetzung von Produktionskürzungen ist daher weiter zu beobachten. Mittlerweile steht allerdings zahlreichen und inzwischen auch großen, marktmächtigen Minenkonzernen das Wasser bis zum Hals, denn die Kosten von Produktion und Raffination übersteigen bei vielen Marktteilnehmern seit geraumer Zeit die zu erzielenden Preise erheblich. Zahlreiche Abwertungen der Bonität durch externe Ratingagenturen sowie sinkende Aktienkurse sprechen eine deutliche Sprache. Es ist also Zeit zum Handeln.

Neben den Fundamentaldaten sind allerdings, wie bereits vorstehend diskutiert, in hohem Maße auch makroökonomische Entwicklungen außerhalb der Rohstoffmärkte für den weiteren Trend bei den Rohstoffpreisen entscheidend. Die Rohstoffanalysten der Groß- und Investmentbank Société Générale empfehlen daher folgende drei Parameter zu beobachten, die für eine Preiswende entscheidend sein könnten. Die weitere Entwicklung beziehungsweise ein nachhaltiger Rebound bei den Ölpreisen ist ein wesentlicher Aspekt. Dadurch könnten Deflationsängste neutralisiert und die Abwärtsspirale zwischen Ölpreis und Emerging Markets-Währungen durchbrochen werden. Auch sind die Ölpreise als ein allgemeiner Indikator für den Risikoappetit respektive die Risikoaversion anzusehen. Ebenso sollte eine Klärung hinsichtlich der Unsicherheit bezüglich der zuletzt etwas widersprüchlichen Währungspolitik Chinas hilfreich sein. Sollte diese eher expansiv sein, wäre das für die Entwicklung der Weltwirtschaft durchaus unterstützend. Zuletzt wäre eine weniger divergierende Zentralbankpolitik der großen Wirtschaftsnationen zu nennen. Die schwächeren Wirtschaftsdaten aus den USA und auch aus Großbritannien könnten die Zinserhöhungen in diesen beiden Ländern deutlich verzögern.

Lange, zu lange hat es auch gedauert, bis die deutsche und europäische Politik erkannt haben, welchen Einfluss die chinesische Volkswirtschaft auf die heimische Industrie nimmt. So spricht inzwischen selbst die seriöse Nachrichtensendung Tagesschau im Zusammenhang mit der chinesischen Stahlindustrie und deren Überproduktion von „Zombie-Unternehmen“. Anders als in anderen Wirtschaftsräumen und –nationen, wo sich die jeweiligen Regierungen schützend vor ihre Industrien stellen und versuchen im Rahmen des rechtlich vertretbaren Instrumentariums zu unterstützen, gibt es in Europa und vor allem in Deutschland eine geradezu salonfähige, politische Kultur der eigenen Industrie möglichst Knüppel zwischen die Beine zu schmeißen. Ob nun aus umweltpolitischen, moralischen und persönlichen Erwägungen lässt sich häufig kaum erschließen. Man kann nur ein übersteigertes postindustrielles Selbstverständnis mit der Tendenz zum Oberlehrer und Vorbild für die Welt vermuten. Ein ökonomisches Verständnis sowie der Blick für das Ganze fehlen den Vertretern dieser Elite in aller Regel. Von Komplexität und Zusammenhängen scheinen diese überfordert. Daher werden auch vor allem Einzelziele und keine Zielbündel verfolgt. Gut gemeint ist so noch lange nicht gut gemacht.

Die europäischen Stahlwerke gehören ganz ohne Zweifel zu den effizientesten, energiesparendsten und emissionsärmsten Produktionsanlagen der Welt. Hierzu haben der hohe Innovationsdruck bei stetig steigenden Umwelt- und sonstigen Auflagen gesorgt. Nun ist aber inzwischen ein Punkt erreicht, wo weitere Fortschritte nur noch unter erheblichem finanziellem Aufwand zu erreichen sind, der die internationale Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Dennoch werden manche Apostel, und diese sind längst nicht nur bei den grünen Parteien zu finden, nicht müde, weitere Emissionsreduzierungen zu fordern. Gleichzeitig werden die Energiepreise erhöht und dem schärfsten und gefährlichsten Wettbewerber China möchte man großherzig so schnell es geht Marktwirtschaftsstatus zugestehen, damit dieser umso einfacher seine Überproduktion nach Europa zu Dumpingpreisen exportieren kann.

Auch wenn das Ziel einer sauberen Welt, nachhaltig für Kinder, Enkel und weitere Generationen, überhaupt nicht verwerflich ist, muss man dennoch klar sehen, was durch diese Politik der Einzelmaßnahmen letztlich erreicht wird: Marginalen Emissionseinsparungen steht ein erheblicher Verlust der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber, der über kurz oder lang zu einem Verschwinden der Industrie in Europa führen wird. Stattdessen wird dann der Stahl aus Ländern importiert, die selber über erheblich geringere Umwelt- und sonstige Standards als Europa verfügen. Damit steigen am Ende per Saldo weltweit sogar die Emissionen die mit der Produktion des benötigten Stahls verbunden sind. Auch hinter die Einhaltung von Arbeitsrecht und Arbeitsschutz muss man ein großes Fragezeichen machen. Ebenso ist die Ausrichtung der jeweiligen Volkswirtschaften dann sehr von einzelnen, wenigen Sektoren, wie zum Beispiel Dienstleistung oder Finanzindustrie, abhängig. Das ist zwar extrem arbeitsteilig, aber ob es für die Bürger und Staaten auch am besten ist, darf man durchaus in Frage stellen. Mit einem Banker aus der Londoner City kann man eine solche Frage natürlich nur schwer diskutieren.

Es besteht daher die Gefahr, dass nicht der Effizienteste und Beste gewinnt, sondern derjenige der am besten durch niedrige Standards und hohe Subventionen geschützt wird. Das kann nicht Sinn der Sache sein. Erfreulich ist, dass nun endlich die Industrie und deren Mitarbeiter auch Gehör bekommen und die Dinge hoffentlich noch zum Guten gewendet werden. Wie in der Flüchtlingsdebatte scheint es wenig Sinn zu machen, mit einem Heiligenschein durch die Gegend zu laufen, sondern besser nah an den Fakten und Realitäten zu arbeiten.

Das ist am Ende im Interesse aller. Denn „Zombie-Unternehmen“ nützen auch China langfristig nicht, selbst wenn das manche Provinzgouverneure entgegen der Auffassung der Zentralregierung anders sehen mögen. Leider scheint das Vorgehen inzwischen geradezu exemplarisch, erst das Falsche zu tun und es dann zu korrigieren. Vielleicht macht man zur Abwechslung einmal wieder etwas auf Anhieb richtig.

LME (London Metal Exchange)

LME Official Close (3 Monate)
15. Februar 2016
Nickel (Ni) Kupfer (Cu) Aluminium (Al)
Official Close
3 Mon.Ask
8.190,00
USD/mt
4.557,50
USD/mt
1.507,00
USD/mt
LME Bestände in mt
18. Januar 2016 15. Februar 2016 Delta in mt Delta in %
Nickel (Ni) 433.674 439.116 + 5.442 + 1,26%
Kupfer (Cu) 233.550 218.300 – 15.250 – 6,53%
Aluminium (Al) 2.836.025 2.747.650 – 88.375 – 3,12%

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