Rohstoffe steigen wieder auf der Beliebtheitsskala
Nachdem der Jahresstart bei Nickel an der Londoner Metallbörse (LME) eher verhalten war, ist seit Mitte Februar per Saldo eine Aufwärtsbewegung feststellbar. Allerdings nicht gerade linear, sondern immer wieder von mitunter erheblichen Rückschlägen geprägt. Wie in der April-Ausgabe kommentiert, ringen auch weiterhin Hoffnung und Zweifel über die weitere wirtschaftliche Entwicklung miteinander. Zuletzt und mit einer zunehmenden Skepsis hinsichtlich schneller Zinssenkungen in den USA, sah es jedoch Ende April/Anfang Mai eine Weile sogar danach aus, als könnten die erreichten Kursniveaus wieder in Gefahr geraten. Es machte sich geradezu Ernüchterung über die schleppende Erholung in China, die ohnehin schwache Wirtschaft in Europa und zudem auch noch eine sich abschwächende Ökonomie in den USA breit.
Den Umschwung brachte dann plötzlich ein eher unerwartetes, exogenes Ereignis, nämlich eine Verwerfung im Kupfermarkt (siehe auch unten) an der Chicago Mercantile Exchange (CME). Diese heizte den Kupferpreis nicht nur in Chicago, sondern durch Arbitrage und spekulatives Interesse auch in London an. Und da man die Industriemetalle nicht isoliert voneinander betrachten kann, kam es neben Kupfer auch bei den Preisen für Aluminium und Nickel in London zu einer schnellen und kräftigen Aufwärtsbewegung.
Wurde diese für Nickel auch damit begründet, dass es in Neukaledonien zu Unruhen kam (auch hierzu unten mehr), aufgrund derer sich jetzt sogar Präsident Macron auf den Weg macht, war eigentlich ersichtlich, dass es sich doch eher um einen etwas übertriebenen Spill-over aus dem Kupfermarkt handelte. So war es beinahe zu erwarten, dass der Nickelpreis nach einem kurzen Hoch von USD 21.750/mt schnell wieder eine Korrektur Richtung USD 20.000/mt einleitete.
Diese Entwicklung zeigt im Übrigen auch, dass es nicht nur an der LME, sondern auch an anderen Börsen wie der CME zu kurzfristigen Verwerfungen in relativ engen Einzelwerten und Segmenten kommen kann. Insofern war seinerzeit das Schweigen von Repräsentanten der CME auf die Frage, ob man an der CME Entwicklungen wie an der LME ausschließen könnte, ehrlich. Entbehrlich war hingegen die seinerzeitige und bis heute nicht erfolgreiche Idee der CME und einiger Partner, der LME bei Nickel den Rang abzulaufen. Der dramatische „Fehler“ der LME 2022 war schlichtweg, dass man zu spät reagiert hat und wichtige Sicherheitsinstrumente (zum Teil sogar auf Wunsch der Marktteilnehmer) fehlten. Doch die LME hat gelernt und die Börse inzwischen viel sicherer gemacht.
Insgesamt sind Rohstoffe bei Investoren wieder beliebt. Die Citibank schätzt Berichten zur Folge, dass Investmentfonds in diesem Jahr bisher rund USD 30 Milliarden im Rohstoffsektor angelegt haben. Den größten Anteil in Edel- und Industriemetallen. Und in der Tat, Daten der LME weisen den Handelsmonat April mit über 17 Millionen gehandelten Kontrakten als neuen Rekord-Monat aus.
Auch Nickel ist also wieder „back in the game“: Im Vergleich zum Vorjahr hat sich das gehandelte Volumen verdoppelt und erreicht damit ein Niveau von Februar 2022, und damit also „Vorkrisen-Level“. Zur Erinnerung: im März 2022 waren nach Ausbruch des Russland-Ukraine-Konfliktes die Nickelnotierungen aus dem Ruder gelaufen, bis schließlich die Londoner Börse den Handel aussetzte und zum Teil annullierte. Die aktuellen Zahlen und Handelsmengen deuten aber darauf hin, dass mittlerweile wieder ausreichend Vertrauen existiert.
Aktuell liegt der Nickel Kassakurs mittlerweile wieder bei über USD 20.000/mt. Auf diesem Preisniveau stand der Kurs zuletzt im September 2023. Dieser neueste Preisanstieg ist zum einen auf, wie bereits angedeutet auf das erhöhte Investoreninteresse zurückzuführen. Zum anderen waren es hier zusätzlich Nachrichten über Unruhen in Neukaledonien, die das spekulative Moment antrieben.
Für die planenden, realwirtschaftlichen Unternehmen (mit Metallbörsenbezug) wäre es natürlich so, dass diese am liebsten ein Goldlöckchen-Szenario hätten. Wie, noch nie davon gehört? Das Goldlöckchen-Szenario (englisch Goldilocks economy) beschreibt wirtschaftlich die perfekte Mitte. Die Rohstoffpreise, aber auch das Wachstum der Weltwirtschaft sind also weder zu hoch noch zu niedrig. Das Wachstum liegt leicht oberhalb des langjährigen Durchschnitts. Auch die Inflation ist gering. Also irgendwie lauwarm, könnte man sagen. Aber so ist die Welt eben nicht. Volatilität gehört zum Geschäft und der erfolgreiche Umgang damit wird mit einer entsprechenden Profitabilität belohnt.
Und das nächste exogene Ereignis mit unvorhersehbaren Folgen wirft bereits seinen Schatten voraus. Die Europäische Zentralbank (EZB) rund um ihre stets braun gebrannte Präsidentin könnte den derzeitigen Anzeichen entsprechend, die Leitzinsen noch vor den USA senken. What a wonderful world!
Wo ist denn Neukaledonien?
Neukaledonien ist französisches Überseegebiet und eine Inselgruppe, ca 1.500 km östlich von Australien im Südpazifik gelegen. Man spricht französisch, trinkt französischen Wein und bezahlt mit einem Übersee-Franc, der an den Euro gekoppelt ist. In der Nickel-Welt kommt Neukaledonien eine Pionierrolle zu: 1864 wurden in dem Inselstaat die ersten Nickelvorkommen entdeckt, 1880 wurde die „Société Le Nickel“ (SLN) gegründet und Bergbau und Verhüttung begannen. Das französische Bergbauunternehmen ERAMET ist mit 56% Hauptanteilseigner der heutigen SLN.
Der Hauptbodenschatz Neukaledoniens ist Nickel; der Inselgruppe werden die fünftgrößten Nickelreserven weltweit zugeschrieben. Hinsichtlich der globalen Nickelproduktion stammten zirka 6% des 2023 gewonnenen Nickelinhalts in Erzen dort her. Damit rangierte Neukaledonien an dritter Stelle. Ein Teil der Erze geht in den Export: China, Südkorea, Japan. Ein anderer Teil ist für die lokale Weiterverarbeitung. Neben der SLN, welche Ferronickel herstellt, gibt es zwei weitere ansässige Unternehmen: Koniambo Nickel SAS (KNS), an der das internationale Handels- und Bergbauunternehmen Glencore 49% Anteile hält, ebenfalls Ferronickel-Produzent und Prony Resources New-Caledonia (PRNC), an der das Handelsunternehmen Trafigura mit 19% beteiligt ist. PRNC hatte die hydrometallurgische Nickel- und Kobaltraffinerie 2021 vom Erstinvestor Vale übernommen.
Alle drei Unternehmen leiden allerdings unter hohen Produktionskosten und stecken seit Jahren in der Krise. Gestützt wurden sie bisher durch ihre Investoren aber auch durch den französischen Staat, der, so wird berichtet, über die Jahre 2016 bis 2023 mit rund EUR 700 Millionen subventioniert hat. Glencore hat bereits den Stecker gezogen: Im Februar hatte die Gruppe angekündigt, den Betrieb einzustellen und ist offen für Angebote. Auch PRNC soll neue, starke Investoren suchen.
Der Ausbruch der Unruhen Mitte Mai, bei denen bisher auch Todesfälle zu beklagen waren, zeigt das schwierige politische Umfeld, in denen Produzenten und Investoren agieren müssen. Im globalen Kontext gesehen bedeuten sie und der mit ihnen einhergehende aktuelle erweiterte Stillstand der Bergbauaktivitäten aber keine gravierenden Auswirkungen auf die Fundamentaldaten, noch eine entsprechende Knappheit am Markt.
Short Squeeze!
Ein „Short Squeeze”, allerdings in kleinerer Größenordnung als die Nickelkrise von 2022, war Mitte Mai im Kupfermarkt zu beobachten: an der Amerikanischen Metallbörse COMEX, einer Tochtergesellschaft der Chicago Mercantile Exchange (CME) notierten Kupfer-Futures bis zu USD 1.200/mt höher als entsprechende Futures an der LME. Kupfer hatte dort zuletzt die USD 10.000/mt Marke geknackt. Normalerweise seien zwischen den beiden Börsen nur marginale Unterschiede von bis zu maximal USD 150/mt Prämie auf Seiten der COMEX zu verzeichnen, so Analysten der BNP Paribas Bank.
Grund für das jetzige Delta: Marktteilnehmer hatten nach einem Anstieg dieser Prämie auf über USD 200/mt eine Angleichung erwartet. Diese erfolgte jedoch nicht, zugleich wurde physisch Ware aus COMEX Lägern entnommen, welches die Preise weiter steigen ließ. Die Handelshäuser Trafigura and IXM, so Reuters, würden nun aktiv Kupfer an die COMEX bringen, um ihre Short Positionen zu decken. Die Analysten der BNP Paribas Bank betonten in ihrer Recherche, dass Kupfer zwar eine hausseträchtige Nachfragestory aufweisen kann, die Preisentwicklung an der COMEX aber kein Indikator für eine drohende physische Kupferknappheit sei.
Abschied eines alten Vertrauten: Der „Cr-Benchmark“ wird in Rente geschickt
In den 1980er Jahren wurde er eingeführt, nun nach rund 40 Jahren „Dienstzeit“ wird er in Rente geschickt: der europäische Ferrochrom-Benchmarkpreis. Das Aus für diese über mehrere Jahrzehnte genutzte Preisreferenz wurde kürzlich durch den an der Börse in Johannesburg notierten Ferrochromproduzenten und Partner von Glencore, Merafe Resources, verkündet. Damit wird es keinen neuen Indikator und keinen neuen Referenzpreis für das dritte Quartal geben. Ein Grund für die Autoren etwas auf die Historie zu blicken.
Rückblick auf die 80er-Jahre: Die Edelstahlindustrie ist im Wachstum, Europa die führende Produzentenregion mit einer breiten Stahlwerkslandschaft und mit deutlich über 40% Anteil der größte weltweite Verbraucher von Ferrochrom. Größtes Produzentenland damals: Südafrika, welches gut ein Drittel der Ferrochromproduktion verantwortete, schließlich lagern in Südafrika und im benachbarten Zimbabwe über 80% der weltweit bekannten Chromerz-Reserven. In dieser Phase entsteht der europäische Ferrochrom-Benchmarkpreis und übernimmt schnell die Rolle einer Referenz für die Preisfindung von Chrom im weltweiten Ferrochrom und Edelstahlsegment.
Schließlich repräsentiert dieser Wert das Ergebnis von Verhandlungen zwischen den größten Produzenten und Verbrauchern. In der Edelstahlindustrie fließt der Benchmarkpreis auch über den sogenannten Legierungszuschlag in die Berechnungsgrundlage des Edelstahlverkaufspreises ein. Zum Zeitpunkt seiner Einführung lag der Benchmark bei zirka USD 0,60/lb, auf heutiges Niveau übertragen (inflationiert) wären das ungefähr USD 1,50 bis 1,60/lb; die letzte Notierung für das zweite Quartal 2024 lag bei USD 1,52/lb.
Fast Forward auf die 2020er: China hat längst Europa als Schwergewicht in der Edelstahlproduktion, der Ferrochromnachfrage sowie Südafrika in der Ferrochromproduktion abgelöst. Fast die Hälfte von jährlich etwas über 15 Millionen Tonnen Ferrochrom wird mittlerweile in China erzeugt, Südafrika ist der größte Lieferant des dafür benötigten Chromerzes. Einhergehend mit dieser Entwicklung entstand in China dem nun größten Produzenten und auch größtem Marktsegment eine eigene Preismethodik und -politik. Diese hat ihrerseits wiederum überregionale Strahlkraft. So wurde in den letzten Jahren der europäische Benchmarkpreis immer wieder in Frage gestellt.
Ende Mai 2024 war es dann so weit: der „Cr-Benchmark“ wird in Rente geschickt – man darf gespannt sein, ob und mit welcher neuen Referenz er ersetzt wird. Vor dem Hintergrund eines allgemeinen Trends von vielen Market Makern aufgrund von Compliance-Risiken und dem stets mitschwingenden Verdacht unlauterer Absprachen und damit der Gefahr von drakonischen Strafen, wäre die Erwartung, dass es künftig keine Orientierung mehr geben wird, außer den diversen Preispublikationen in mehr oder weniger seriösen Fachzeitschriften oder durch Preisdatenprovider.
Down-, Re-, oder Upcycling?
Recyclen oder Recycling als Begriff ist ein fester Bestandteil in unserem Sprachgebrauch. Darüber hinaus herrscht auch ein allgemein weitverbreitetes Verständnis über dessen Bedeutung; die EU selbst definiert den Begriff des Recyclens in seiner Richtlinie 2008/98/EG sogar gut verständlich als „Wiederaufbereitungsmaßnahme, bei der Abfallstoffe in Produkte, Materialien oder Substanzen umgewandelt werden, sei es für den ursprünglichen oder andere Zwecke“. Neben dem also gängigen Begriff des Recyclings wird in letzter Zeit vermehrt auch über „Up-„ und „Downcycling“ gesprochen. Dabei ist das Upcycling grundsätzlich positiv konnotiert und der Begriff Downcycling entsprechend negativ. Damit erscheint Downcycling häufig als etwas, dass es entsprechend zu vermeiden gilt: das Gabler Wirtschaftslexikon zum Beispiel definiert Downcycling als einen Prozess bei dem mit fortschreitender Anzahl an Wiederverwertungszyklen sich die Qualität des Recyclats verschlechtert.
Unter der Federführung der Universität Bayreuth haben sich im Rahmen eines vom deutschen Umweltbundesamt geförderten Projektes verschiedene Forscher der Aufgabe gestellt, mit Fokus auf die Metallindustrie, den Begriff Downcycling zu schärfen und besser zu definieren. Die dabei entstandene Arbeitsdefinition lautet:„Downcycling ist das Phänomen einer Qualitätsreduzierung von Materialien bezogen auf ihre Ausgangsqualität [und Eigenschaften], welche aus Abfällen aufbereitet wurden. […] Downcycelte Materialien gelten als recycelte Materialien. […]“
Das Forscherteam führt weiter aus, dass Downcycling in der Regel ein nicht gewünschter Effekt ist, sondern in Folge der und während der Aufbereitung auftreten kann. So kann ein Downcycling dadurch hervorgerufen werden, dass zum Beispiel Schrotte nicht ausreichend getrennt werden können und/oder mit bestimmten Verunreinigungen versehen sind, welche sich ihrerseits nicht trennen oder aussortieren lassen. Aber auch mangelnde Nachfrage oder Produktdesign können ebenfalls zum Downcycling führen. Der Gedanke des Forscherteams: durch präzisere Definition von Downcycling, dieses besser quantifizieren und Materialien länger und mit gleicher Qualität im Kreislauf zu halten.
[Quellen: Projekt Optimet – https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/optimet ; Artikel: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/jiec.13289 ]
Für die Autoren der Rohstoff-News stellt sich jedoch die grundsätzliche Frage: ist ein Downcycling entsprechend der allgemeinen Wahrnehmung und dieser Definition per se immer schlecht? Und ein Upcycling immer gut? Der Realitätscheck bezogen auf das Recycling von Edelstahlschrott zeigt, dass eine Vielzahl von geeigneten legierten Schrotten zum Einsatz kommt, um den steigenden Sekundärrohstoffbedarf der Edelstahlproduzenten zu decken. Dabei dreht es sich vor allem um die Elemente Nickel, Chrom und auch Molybdän, welche im Kreislauf zu halten sind.
Die Quellen hierfür sind dann eine Vielzahl verschiedener legierter Einsatzstoffe und (Stahl-)Schrotte, die leider, per Definition und öffentlichem Verständnis, als Abfälle laufen. Das Recycling lässt diese Schrotte zum Sekundärrohstoff werden. Und ist es nicht das, worum es auch gesamtheitlich geht? Eine Maximierung des Sekundärrohstoffeinsatzes, bei gleichzeitiger Verringerung des Primärrohstoffeinsatzes, und der damit verbundenen Reduzierung von klimaschädlichen Gasen und Vermeidung von anderen Umweltfolgeschäden, die zum Beispiel durch intensiven (Tage-)Bergbau in tropischen Regionen entstehen können. Vor diesem Hintergrund erscheint zumindest beim Edelstahlschrott die Fragestellung nach Down- oder Upcycling nicht die richtige zu sein.
LME (London Metal Exchange)
LME Official Close (3 Monate) | ||||
28. Mai 2024 | ||||
Nickel (Ni) | Kupfer (Cu) | Aluminium (Al) | ||
Official Close 3 Mon. Ask |
20.350,00 USD/mt | 10.459,50 USD/mt | 2.704,00 USD/mt |
LME Bestände in mt | ||||
3. Mai 2024 | 28. Mai 2024 | Delta in mt | Delta in % | |
Nickel (Ni) | 79.920 | 83.780 | + 3.860 | + 4,83 |
Kupfer (Cu) | 111.300 | 114.750 | + 3.450 | + 3,10 |
Aluminium (Al) | 487.750 | 1.121.500 | + 633.750 | + 129,93 |