Nickel und die anderen Basismetalle mit wenig Eigendynamik. Wirtschaftsdaten uneinheitlich. Zentralbanken sind hin- und hergerissen. Nach den ersten Erhöhungen geht es jetzt um die richtige Dosis.

Zinsen könnten weiter steigen als bisher erwartet. Das hilft dem Dollar zu neuer Stärke und drückt auf die Rohstoffpreise. Nickelkurs wo die Kritiker der LME vielleicht von einem fairen Wert sprechen würden?

Alternativen zur LME treten vermehrt auf den Plan. Bisher nur wenig Konkretes. Können Plattformen in der Hand von Marktteilnehmern die nötige Transparenz und Unabhängigkeit sicherstellen?

Auch Zentralbanken machen Fehler. Nimbus bekommt mehr als Kratzer. Edelstahlproduktion soll 2023 wachsen. Unternehmensberater denken über die Zukunft des Rohstoffhandels nach.

Volatile Konjunkturerwartungen
Die Nickelnotierungen an der London Metal Exchange (LME) zeigen derzeit, ebenso wie auch die Basismetalle Kupfer und Aluminium, wenig Eigendynamik. Die Kurse befinden sich in einer Korrekturphase. Alle Welt starrt auf die Zentralbanken, um abzuschätzen wie hoch die Leitzinsen zur Bekämpfung der Inflation wohl noch steigen könnten. Hatte man zum Jahresanfang noch gehofft, der Zinserhöhungszyklus könnte zumindest in den USA bald den Höhe- und damit Wendepunkt erreichen, haben sich diese Erwartungen in den letzten Wochen noch nicht erfüllt.

Amerikanische Wirtschaftsdaten über eine robuste Konjunktur sowie die weiterhin überhitzte Lage am Arbeitsmarkt, lassen weitere und größere Zinssteigerungen im US-Dollar-Raum befürchten. Die entsprechende Rhetorik des Federal Reserve Notenbank-Präsidenten Powell tut ihr Übriges. Auch geht der Krieg in der Ukraine unvermindert weiter und den Wirtschaftsdaten aus China nach der Covid-19-Öffnung fehlt es an klarer Richtung. Hatte man eigentlich mit einem starken Wachstumsimpuls gerechnet, wurde dem Nationalen Volkskongress in China durch die politische Führung ganz offiziell nur ein „moderates“ Wachstum von fünf Prozent für 2023 präsentiert.

Nickelkurs auch währungsgetrieben
So ist es kaum erstaunlich, dass sich der US-Dollar befestigt hat, denn steigende Zinsen in USA bedeuten, dass die Zinsschere zu den anderen Volkswirtschaften auseinander geht. Es sei denn die anderen Zentralbanken ziehen nach und erhöhen auch die Zinsen. Der Euro hat sich daher gegenüber dem US-Dollar, seit dem relativen Hoch Anfang Februar von 1,10 USD/EUR, innerhalb eines Monats deutlich auf Kurse unter 1,06 USD/EUR abgeschwächt.

Auch bei den international in US-Dollar gehandelten Rohstoffen macht sich die US-Dollar-Stärke durch Preisabschläge bemerkbar. Die Nickelnotierung an der LME verlor seit dem Hoch von über USD 30.000,00/mt Ende Januar einiges an Terrain und handelt derzeit bei knapp unter USD 23.000,00/mt. Eigentlich müsste das zahlreichen Marktteilnehmern gefallen, war doch lautstark kritisiert worden, der Nickelpreis an der Börse würde nicht mehr den gesamten Nickelmarkt repräsentieren, sondern vielmehr nur einen ganz kleinen Ausschnitt.

Alternative Benchmarks
Dass das schon immer so war und man sich in der Vergangenheit auf den LME-Nickelpreis als internationale Benchmark im Sinne eines besten gemeinsamen Nenners einigen konnte, wurde geflissentlich übersehen. Nun haben die Ereignisse von Anfang März 2021 insgesamt einen wahren Konkurrenzkampf zwischen der LME und potenziellen alternativen Referenzanbietern ausgelöst. Noch stimuliert durch die Ankündigung der Aufsichtsbehörden die eingeleiteten Untersuchungen bei der LME zu verstärken, reihten sich inzwischen weitere Hedgefonds und Investoren in den Kreis der Kläger gegen die LME und ihr Clearinghaus LME Clear ein, um die in ungeordneten Marktverhältnissen erzielten und dann stornierten Gewinne doch noch einzufahren. Wie in der Marktwirtschaft üblich, erzeugte die Schwäche der LME und damit die Aussicht auf eine (partielle) Ablösung und die damit verbundenen Erträge für die nötige Kreativität, Motivation und finanziellen Ressourcen bei interessierten Dritten.

In diesem Zusammenhang werden auch immer wieder die Shanghai Futures Exchange (SHFE) und die Chicago Mercantile Exchange (CME) genannt. Dabei gibt es an der SHFE bereits einen Nickelkontrakt, dessen Repräsentativität und Liquidität, neben der fehlenden Zugänglichkeit für alle Marktteilnehmer mindestens ebenso in Frage steht wie der in London. Und über einen alternativen Future an der CME gibt es so gut wie keine Details, nur mehr blumige und eher diffuse Ankündigungen. Was klar ist, ist, dass eine von globalen Minenriesen betriebene Allianz unter der Firma Global Commodities Holding (GCH) – wir berichteten – eine Handelsplattform für physisches Nickel plant. Verfolgte man aufmerksam die Medienberichterstattung zum Thema fiel auf, dass sich gerade nach den Ankündigungen der GCH weitere Nachrichten aus verschiedenen Richtungen (auch aus dem Gesellschafterkreis) häuften, die eine notwendige Ablösung der altehrwürdigen LME nahelegten.

So sieht erfolgreiche PR und Pressearbeit aus, wenn man ein Ziel vor Augen und tiefe Taschen hat. Die LME ihrerseits tritt auch weiterhin eher auf der Stelle, konnte nun aber doch endlich(?) die Rückkehr zum Handel während der asiatischen Geschäftszeiten am 20. März 2023 verkünden. Die Börse erhofft sich damit eine höhere Liquidität, was vor dem Hintergrund ebenfalls kollabierter Volumina beim SHFE-Nickel-Kontrakt fraglich erscheint. Eine Begründung, wieso das dennoch so sein sollte, blieb sie bisher schuldig. Vertrauen gewinnt man nur mit Fakten sowie Transparenz und nicht mit Hoffnungen. Das gilt für die LME ebenso, wie für potenzielle Alternativen.

Zentralbanken mach(t)en Fehler
Doch noch einmal zurück zu den Zentralbanken. Grundsätzlich haben sich diese in ihrem Kerngeschäft der Inflationsbekämpfung zuletzt nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Viel zu spät hatte man auf die sich manifestierende Inflation reagiert und damit wichtige Zeit für eine sanfte Bremsung verschenkt. Während die US-Notenbank diesen Umstand zumindest zugibt und nun mit aller Härte gegensteuert, hört man von der Leitung der Europäischen Zentralbank vor allem Ausflüchte und Entschuldigungen und sieht sich im eigenen Handeln eher durch die US-Notenbank Fed getrieben als wirklich überzeugt. Klar, dass man sich dann lieber mit Green Finance beschäftigt und an die Öffentlichkeit tritt, als mit der eigentlich notwendigen Krisenbekämpfung.

Ohnehin versteht sich die EZB nicht mehr wirklich als unabhängig von den Regierungen, sondern als komplementär an. Damit handelt es sich auch de facto um ein politisches Gremium und nicht eine Expertenorganisation mit klarer Aufgabenstellung und Auftrag. Das führt dazu, dass man wie eine gespaltene Persönlichkeit agiert. Einerseits erhöht man die Zinsen, andererseits pumpt man durch Anleihenkäufe weiteres Geld in die Märkte. Also Bremse und Gaspedal gleichzeitig.

Diese Schizophrenie ist vor allem dem politischen Umstand geschuldet, dass sich nicht wenige Euro-Länder zu Niedrigzinsen derart verschuldet haben, dass jede stärkere Zinserhöhung toxisch bis hin zum Staatsbankrott wirken könnte. Da die Anleihen solcher Staaten kaum einer mehr kaufen möchte, muss die EZB halt als Käufer herhalten, um die Liquidität der Staaten zu sichern. Klassische Finanzierung durch die Notenpresse und nach dem volkswirtschaftlichen Lehrbuch inflationstreibend.

Nun ist es aber auch nicht so, dass die Härte der US-Notenbank das Allheilmittel und richtige Rezept sein muss. Die Devise ist ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Wenn Problemlösung doch so einfach wäre: Zinsen hoch und schon ist die Inflation im Griff oder im besten Fall sogar verschwunden. Man kann es nämlich mit geldpolitischen Maßnahmen auch übertreiben, in die eine, wie in die andere Richtung. Bei zu hohen Zinsen besteht die Gefahr, dass man die Volkswirtschaft in eine tiefe Rezession treibt. Und das aktuelle Risiko ist gar nicht so gering, denn die Unternehmen, Bürger und Staaten sehen sich derzeit einer wahren Polykrise (Krieg, geopolitische Spannungen, Dekarbonisierung, Energiepreise, Protektionismus, Arbeitskräftemangel, und, und, und) gegenüber.

So berechnet die Unternehmensberatung Accenture regelmäßig einen Disruption Index (Disruptability Index), der für einzelne Wirtschaftssektoren und auch in Summe das Maß der Disruption (tiefgreifende Veränderungen, aktuell und erwartet) ausdrücken soll, denen sich einzelne Branchen gegenübersehen. Dem Vernehmen nach ist dieser Index zuletzt auf 200% gestiegen und hat sich damit gegenüber vorherigen Zeiten rund vervierfacht. Da kommen deutliche Zinserhöhungen durch die Zentralbanken natürlich zur Unzeit.

Am Ende wird wie immer ein Ergebnis stehen, das je nach Land oder Region mehr oder weniger optimal sein kann, aber der Fortgang der Zeit lässt sich eben nicht aufhalten. Dennoch ist auch die Performance der Zentralbanker eine erneute Bestätigung dafür, dass es inzwischen kaum mehr eine Berufsgruppe gibt, bei der nicht der zuvor durch die Allgemeinheit verliehene Glanz und Überlegenheitsanspruch verblasst wäre. Oder mit anderen Worten: der Lack ist ab und das gilt eben auch für Zentralbanker, Politiker, Ärzte, Richter, Rechtsanwälte, Wissenschaftler. Vielleicht kann man sich ehrlicherweise darauf einigen, dass alle Menschen Respekt verdienen, aber am Ende doch nur mit Wasser kochen.

Edelstahlproduktion soll wachsen
Wie die Informationsplattform marketSteel, unter Berufung auf das Marktforschungsunternehmen MEPS International Ltd. berichtet, wird für 2023 eine Rohedelstahlproduktion von 60 Millionen Tonnen erwartet. Durch das gleiche Institut wurde im Juni 2022 für das Gesamtjahr 2022 (noch?) eine Menge von 58,5 Millionen Tonnen erwartet. Ob dieser Wert tatsächlich erreicht wurde, ist zu bezweifeln, da nach der Veröffentlichung der Statistik von worldstainless (vormals: ISSF) in den ersten 9 Monaten von 2022 „nur“ eine Menge von 41,9 Millionen Tonnen erzeugt wurde, bei einem sehr schwachen 3. Quartal. Selbst wenn in China die Produktion im 4. Quartal höher war als erwartet, wird das vermutlich nicht ausreichen, die Prognose aus Juni noch zu treffen. Eher wird sich der Ist-Wert wohl zwischen 54 und 56 Millionen Tonnen abspielen. Zum Vergleich, für 2021 wurde durch worldstainless seinerzeit eine Tonnage von 58,3 Millionen Tonnen ermittelt.

Nicht überraschend geht MEPS davon aus, dass China und Indonesien den wesentlichen Wachstumsbeitrag im Jahr 2023 leisten werden, aber auch für Indien sieht man einen klaren Anstieg. Für Europa hat sich das 4. Quartal 2022, so die Marktforscher, wieder stärker als das Sommerquartal entwickelt und auch für das Q1 2023 erwartet man weitere Verbesserungen. Unterstützend sollte insgesamt wirken, dass der Inflationsdruck im Laufe des Jahres nachlassen dürfte, ebenso scheinen die Energiekosten nicht nur kurzfristig wieder zu sinken. Die geopolitischen Spannungen und der Krieg werden weiter einen negativen Einfluss ausüben und auch der Lagerabbau in den westlichen Ländern kommt wohl nur langsamer als erwartet voran, urteilen die Analysten.

McKinsey untersucht die Zukunft des Rohstoffhandels
Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Unternehmensberatung McKinsey über die Zukunft des Rohstoffhandels beschreibt die Branchenaussichten als exzellent. Dennoch steht die Branche vor einigen Herausforderungen, die vor allem durch politische und ökologische Themen geprägt sind. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine hat zahlreiche Handelsbeziehungen verändert. Während in der Vergangenheit Unternehmen ihre Logistik und Lagerhaltung auf Effizienz trimmten, nehmen Unternehmen inzwischen bewusst längere Lieferwege und höhere Bestände in Kauf. Die hohen Materialpreise und Preisschwankungen von Rohstoffen in jüngster Vergangenheit kosten die Firmen zusätzliches Kapital.

Das Autorenteam, bestehend aus zwei Partnern der Beratungsgesellschaft aus dem Büro in Zürich sowie einem Consultant aus Calgary, beobachtete, dass sich seit Ende 2020 die Anforderungen für Betriebsmittel, dem sogenannten Working Capital, verdoppelt haben. Zudem erwarten die Autoren einen ähnlichen Anstieg, sofern weitere Veränderungen bei den Handelsströmen eintreten. Zwischen den Jahren 2020 und 2024 dürften sich die Energiekosten verdreifachen, Zinsaufwendungen versiebenfachen und Unternehmen, absolut gesehen, zusätzliches Working Capital von 300 bis 500 Milliarden USD benötigen. Da größeren Rohstoffhändlern allgemein ein besserer Zugang zu Kapital unterstellt wird, könnten diese ihre Marktmacht nutzen und kleineren Händlern oder Produzenten, langfristige Handelsverträge mit entsprechenden Finanzierungen anbieten.

Ferner haben die Unternehmensberater eine zweieinhalbmal höhere Volatilität im Rohstoffsektor beobachtet. Daher haben zahlreiche Unternehmen Kreditlinien zur Finanzierung von Sicherheitsleistungen (Margin Calls) im Zusammenhang mit Absicherungsgeschäften (Hedging) vereinbart. Bei Unternehmen der Energiebranche waren die Kreditlinien mitunter so umfangreich, dass sogar einige europäische Staaten diese mit Garantien hinterlegen mussten.

In den kommenden Jahren dürften einige Faktoren für der Erfolg der Rohstoffhändler ausschlaggebend sein. Zukünftig werden regionale Produktionsmethoden, gesetzliche Bestimmungen und Umweltauswirkungen von den Kunden unterschiedlich bewertet werden, was zu einer Regionalisierung des Rohstoffmarktes führt. Die Energiewende führt beispielsweise, durch die Verwendung alternativer Energien zu neuen Kostenstrukturen, die weltweit unterschiedlich sein können. Daher erwarten die Autoren auch den Bedarf einer höheren Kundenorientierung für den Rohstoffhandel.

Im Umkehrschluss nimmt daher der Bedarf an Transportschiffen mit großen Kapazitäten, die lange Wege über die Weltmeere zurücklegen, ab. Ferner wird erwartet, dass Endkonsumenten nachhaltig hergestellte Produkte mehr nachfragen und dies preislich honorieren werden. Rohstoffhändler, die diesen Vorteil verstehen, könnten die Möglichkeit nutzen und höhere Margen erzielen.

Niedrige Markteintrittsbarrieren bei standarisierten Primärrrohstoffen dürften große Rohstoffhändler dazu veranlassen, sich breiter aufzustellen und Wettbewerber aufzukaufen, um attraktivere, risikobereinigte Renditen zu erzielen. Demnach führt eine Diversifikation von verschiedenen Rohstoffen zu einer positiven Auswirkung auf Risiko und Rendite des Gesamtportfolios. Bei kleineren Unternehmen erwarten die Experten von McKinsey hingegen, dass diese sich eher auf Nischen konzentrieren müssen, die weniger kapitalintensiv sind.

Mehrere Tageszeitungen berichteten über die umfangreiche Publikation der bekannten Unternehmensberatung, die ihre Ergebnisse mit zahlreichen Statistiken belegt. Die beschriebenen Herausforderungen bergen Chancen und Risiken für große und kleine Handelshäuser. Fest steht, dass eine solide Finanzierung zum Fundament aller Handelsunternehmen gehört. Abschließend betonen die Autoren, dass die Entwicklungen der Branchentrends auch abhängig von neuen Marktteilnehmern seien. Daher dürfen auch die sogenannten Gewinner ihre Fähigkeit nicht verlieren, schnell zu handeln.

 

LME (London Metal Exchange)

LME Official Close (3 Monate)
13. März 2023
  Nickel (Ni) Kupfer (Cu) Aluminium (Al)  
Official Close
3 Mon.Ask
22.950,00
USD/mt
8.667,00
USD/mt
2.287,00
USD/mt
 
LME Bestände in mt
  14. Februar 2023 13. März 2023 Delta in mt Delta in %
Nickel (Ni) 46.710 43.884 – 2.826 – 6,05%
Kupfer (Cu) 63.800 71.300 + 7.500 + 11,76%
Aluminium (Al) 601.600 543.525 – 58.075 – 9,65%

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