Große Aufregung im Finanzsektor. Vertrauen ging nicht nur bei der London Metal Exchange verloren. Auch im Mutterland der Vermögensverwaltung kam man gehörig ins Schwitzen. Momentan ist es wieder ruhig.

Braucht es professionelle Short-Seller oder ist das ein Relikt des Turbokapitalismus? Nickel stabilisiert sich bei steigenden Auftragseingängen in der Industrie. Noch ist der Servicesektor die treibende Wachstumskraft.

Inflationsraten fallen. Zentralbanken bleiben bei ihrem Kurs. Wiedereröffnung des asiatischen Handels durch die LME. Fehlender Umweltschutz limitiert die Erfolgsgeschichte Indonesiens bei Nickel.

Wasserstoff soll es richten. Parallel gibt es noch weitere Ansätze zur Dekarbonisierung der Industrie. E-Fuels nur da, wo es nicht anders geht. Effizienz und Ökonomie dürfen kein Gegenstand einer Wette sein.

Shortseller reiten Attacken
Seit der letzten Ausgabe ist mächtig etwas passiert auf der Welt. Nicht nur, dass sich der unsägliche Krieg in der Ukraine fortsetzte, sorgte dann die kalifornische Silicon Valley Bank (SVB) für höchste Aufregung. Zahlreiche Kunden hatten ihr Geld abzogen und damit das Finanzinstitut beinahe in die Pleite getrieben, hätten nicht Regulatoren und Regierung beherzt eingegriffen. Doch damit nicht genug. Nur wenige Wochen später ging das Bankenschwergewicht Credit Suisse (CS) in der Schweiz und definitiv „too big to fail“ in die Knie. Und wieder mussten die zuständigen Aufseher dieses Institut durch eine Fusion mit der noch größeren UBS sowie weitreichende Garantien des Staates retten.

Ungute Erinnerungen an die Finanz- und Staatsschuldenkrise der Jahre 2008/2009 wurden wach. So war es kaum überraschend, dass schließlich auch noch die Deutsche Bank, welche sich in nicht allzu ferner Vorzeit mit ähnlichen Schlagzeilen wie die CS einen fragwürdigen Ruf erarbeitet hatte, in den Fokus einer Shortseller-Attacke von entsprechend „spezialisierten“ Investoren geriet. Mit anderen Worten wetteten Spekulanten durch ungedeckte Aktienverkäufe und fragwürdige Transaktionen auf dem Markt für Kreditausfallversicherungen darauf, dass die Deutsche Bank in Kürze das gleiche Schicksal ereilen würde wie die SVB und die CS. Doch lässt sich die Situation der Deutschen Bank bei weitem nicht vergleichen und es muss die Frage erlaubt sein, wieso die Welt so etwas wie ungedeckte Leerverkäufe durch professionelle Shortseller überhaupt benötigt.

Inflationsraten gehen langsam zurück
Die Nervosität und Unsicherheit in den Märkten waren jedenfalls ganz erheblich und so konnten wie üblich der US-Dollar und der Goldpreis zulegen, während die Aktienmärkte mit Verlusten zu kämpfen hatten. Der Schweiß auf den Stirnen von Politik und Aufsicht war allenthalben sichtbar. Derweil setzten die Zentralbanken, scheinbar unbeeindruckt, den zu spät begonnenen Zinserhöhungskurs zur Bekämpfung der Inflation fort. Allerdings nicht ohne sich ein Hintertürchen in ihrer Guidance für den Fall einer fortgesetzten Instabilität des Finanzsektors offenzulassen. Weitere Zinserhöhungen also nun nicht mehr um jeden Preis.

Auch wenn Herr Draghi mit seiner Bazooka die Bühne der Europäischen Zentralbank (EZB) längst verlassen hat und er persönlich damit den Euro nicht mehr um jeden Preis verteidigen kann – das muss nun Frau Lagarde übernehmen – hallen seine Worte noch nach. Durch die konzertierten Aktionen der Notenbanken ist zunächst wieder etwas Ruhe eingekehrt. Auch die Inflation geht langsam zurück, beziehungsweise richtigerweise müsste man sagen, die Preise steigen nicht mehr ganz so schnell. Das ist sicher nicht den zahlreichen Trittbrettfahrern der Inflation zu verdanken, die sich in jeder noch so abwegigen Produkt- und Dienstleistungskategorie durch überbordende Preissteigerungen ausgezeichnet haben. Vielmehr beschleunigte sich der Rückgang der Energiepreise, vor allem bei Strom und Gas. Mögen die „Wucherer“ auf ihren Warenbeständen sitzen bleiben, um dann mit großen Rabattaktionen zum weiteren, schnellen Rückgang der Preissteigerung beizutragen.

Nickel stabilisiert sich in unruhigem Umfeld
In diesem wahrlich nicht einfachen, finanzwirtschaftlichen Umfeld konnten sich die zuvor konsolidierten Nickelpreise an der London Metal Exchange (LME) auf niedrigerem Niveau stabilisieren. Die Notierung handelte zuletzt bei rund USD 23.000,00/mt. So schlecht ist die realwirtschaftliche Situation auch nicht (mehr), der multiplen Krise zum Trotz. Erste Veröffentlichungen der Einkaufsmanagerindizes in Europa für April legen nahe, dass es in den entwickelten Volkswirtschaften zu einer Beschleunigung des Wachstums gekommen ist, wobei derzeit der Dienstleistungssektor der wesentliche Treiber ist. Das Gewerbe schwächelt nach wie vor. Die Auftragseingänge legen aber zu und damit sollten auch die Preise der Inputmaterialien gut unterstützt sein. Das deckt sich im Übrigen auch mit dem gegenwärtigen Schrottbedarf.

Auch ist es allenthalben spürbar, wie Flaschenhälse aus den Lieferketten verschwinden, wenn man einmal von der Deutschen Bahn absieht. Die LME konnte nach einigem Hin und Her auch wieder den Handel des Nickelfuture während der asiatischen Geschäftszeiten etablieren. Damit beginnt der Handel nun wieder, wie vor den Verwerfungen an der Börse von Anfang März 2022, um 1 Uhr nachts britischer Zeit. Das ist ein weiterer Schritt in Richtung Normalität, verbunden mit der Hoffnung von Börse und Marktteilnehmern, dass dieser Schritt auch die Handelsvolumen wieder erhöhen wird.

Überhang bei Class 2 Nickel in Indonesien und China
Zuletzt wurden aber die Erwartungen hinsichtlich des LME-Nickelpreises für die kommenden Jahre von manchem Marktanalysten nach unten korrigiert, mit dem zutreffenden Hinweis auf bestehende und zu erwartende Überkapazitäten in der chinesisch dominierten Nickelproduktion in Indonesien. Die daraus entstehende üppige Verfügbarkeit mindert Preiserhöhungsfantasien. In der Tat ist festzustellen, dass das Überangebot vor allem das sogenannte Class 2 (also nicht an der LME gehandelte) Nickel Pig Iron (NPI) betrifft. Bei der an der LME gehandelten Class 1 gibt es nämlich weiterhin eher Engpässe, nicht zuletzt, weil Russland für 26% des in die Lagerhäuer der LME einlieferbaren Materials steht, wie Macquarie in einer jüngsten Publikation berichtet.

Wie schon bei der eigenen Stahl- und Edelstahlproduktion innerhalb Chinas, gingen die Chinesen auch bei der Nickelproduktion in Indonesien zunächst den Weg der „Menge vor Marge“. Inzwischen werden aber eilig Kapazitäten zur Konvertierung von NPI in Class 1 Nickel oder Nickel für die Batterieproduktion aufgebaut, denn die Abschläge auf den LME- und SHFE (Shanghai Futures Exchange)-Preis waren wohl doch nicht mehr auskömmlich für die neuen Nickelproduzenten. Das sollte das Angebot an Class 2 Nickel perspektivisch reduzieren.

Indonesien braucht Umweltschutz
Es könnte aber noch einen anderen Grund geben, warum die Abwärtskorrektur der Preisschätzungen voreilig gewesen sein könnte. Wie auch Macquarie schreibt, gibt es bei den Nickelverbrauchern wachsende Bedenken, was zum einen die Abhängigkeit von Indonesien unter chinesischer Kontrolle angeht (Indonesien könnte bis 2027 einen Anteil von 65% des globalen Nickelangebots erreichen). Zum anderen ist in diesem Zusammenhang auch das Thema ESG (Environment, Social und Governance) nicht zu vernachlässigen, denn die indonesischen Minen liegen mitten im Regenwald mit einer einzigartigen Artenvielfalt und der CO2-Fussabdruck liegt leider beim Schlechtesten, was die Primärnickelproduktion zu bieten hat.

Sollten demnächst Instrumente wie der Grenzausgleichsmechanismus in der EU CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism) greifen, bekommt die Diskussion, auch hinsichtlich der Preise einen ganz anderen Spin. Man wird kaum den Konsumenten in Europa verkaufen können, dass man hierzulande zu hohen Kosten alles für eine Zero Carbon Wirtschaft tut, während man indirekt in Drittländern Umwelt und Klima schädigt. Das hat auch Indonesien erkannt. Deshalb hat der Präsident des Landes Joko Widodo, wie Reuters berichtet, angekündigt, die Umweltstandards der Nickelminen stärker überwachen zu wollen. So sollen die Inhaber ausgebeuteter Lagerstätten dazu verpflichtet werden, diese brachliegenden Areale wieder aufzuforsten. Das und weitere zu erwartende Maßnahmen sollten perspektivisch die Produktionskosten in Indonesien verteuern.

Wasserstoff soll es richten
Wasserstoff ist als Klimaretter in aller Munde. Ganz so einfach, wie Politiker aller Fraktionen weismachen wollen, ist die Sache allerdings nicht. In der letzten Ausgabe wurde bereits über die Handelsblatt-Tagung Zukunft Stahl berichtet. Erfreulich war in diesem Zusammenhang, dass sich der Fokus der teilnehmenden Expertinnen und Experten mehr und mehr öffnet und auch in Richtung Rohstoffe bewegt, wenn es um die Strategien zur Dekarbonisierung der Stahlindustrie geht. Als Referent und Impulsgeber hat Oryx Stainless auf dieser Veranstaltung ihre mehrdimensionalen und multidisziplinären Gedanken in die Diskussion der Fachleute eingebracht, die nachfolgend zusammengefasst sind. Weitere Details finden sich in der auf dem LinkedIn-Kanal der Oryx Stainless Group veröffentlichten Präsentation (https://www.linkedin.com/company/oryx-stainless-b.v./posts/).

So ist Wasserstoff zwar Teil der Lösung, aber natürlich nicht die Lösung. Auch sollte die mit der Dekarbonisierung verbundene Lobbyarbeit faktenbasiert sein und nicht Mythen und Emotionen zum Gegenstand haben. Der Export von Stahlrecycling-Know how und Stahlschrott ist Export von Klimaschutz, denn der Klimawandel ist global. Die negativen, mit der Produktion von Primärrohstoffen verbundenen externen Effekte müssen in den Preismechanismus aufgenommen werden, wenn es zu entsprechenden Verhaltensänderungen kommen soll (vgl. hierzu auch vorstehend zu Indonesien). Überdies ist Schrott grundsätzlich in jeder gewünschten Qualität vorhanden, wenn der damit verbundene Aufbereitungsaufwand bezahlt wird.

Die bestehenden Kapazitäten der BOF-/Hochofenroute sollten natürlich hinsichtlich Emissionen optimiert werden. Ziel muss perspektivisch aber bei allen Schmelzaggregaten die Ermöglichung des technisch maximalen Schrotteinsatzes sein, denn mit dem Argument, es sei nicht genug Schrott da, macht man es sich zu einfach. Was, wenn zukünftig mehr Schrott da ist, aber die technischen Kapazitäten ungeeignet für den vollständigen Einsatz wären. Schließlich muss es mehr Forschung geben, und zwar auch über die Disziplinen Ingenieurwissenschaften und Geologie hinaus. Umweltökonomen und Volks- und Betriebswirtschaftler sind ebenso gefragt, denn Optimierung und Effizienz sind immer auch unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit zu betrachten.

„Die Wette auf den Wasserstoff“
Zuletzt hat sich auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FASZ) unter dem Titel „Die Wette auf den Wasserstoff“ mit dem Thema beschäftigt. Demnach scheint auch für die Stahlproduktion ein Realitäts-Check der angestrebten und unter Umständen hochsubventionierten Strategien in ökonomischer und praktischer Hinsicht dringend erforderlich. Auch wenn sich der Artikel im Schwerpunkt mit Wasserstoff zur Herstellung von E-Fuels zum Verbrauch in Verbrennungsmotoren oder in modernen Gasheizungen beschäftigt, müssen die Feststellungen zur Kenntnis genommen werden. Es wird berichtet, dass die Internationale Energieagentur (IEA) ermittelt hat, dass klimafreundlicher Wasserstoff bislang lediglich 1 Prozent der Weltproduktion ausmacht. Wenn alle aktuell geplanten Vorhaben bis 2030 umgesetzt werden, stehen dann jährlich 24 Millionen Tonnen zur Verfügung, benötigt würden aber 100 Millionen Tonnen, um zur Jahrhundertmitte klimaneutral zu sein.

Man muss sich daher in Deutschland und Europa darüber im Klaren sein, dass klimafreundlicher Wasserstoff am besten in den Bereichen eingesetzt wird, in denen andere Technologien auf Basis von regenerativer Energie nicht funktionieren, denn die Effizienzverluste mit dem Umweg über den Wasserstoff (wie zum Beispiel E-Fuels) sind enorm. Wie die FASZ schreibt, kommt man mit derselben Menge Strom im E-Auto derzeit fünfmal so weit, wie mit einem Verbrennerfahrzeug, dass mit E-Fuels betankt wird. Auch werden zukünftig Wasserstoff und E-Fuels in großem Umfang aus sonnen- und windreichen Gegenden importiert werden müssen

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Gedanken des ehemaligen Unternehmensberaters und Blog-Autors Dr. Daniel Stelter. In seinem Blog „Think Beyond The Obvious“ macht er sich darüber Gedanken, ob man mit den immensen Summen, die hierzulande eingesetzt werden (sollen), nicht andernorts mehr und schneller etwas für den Klimaschutz bewegen kann. Denn das Klima ist global. Die Frage lautet also, wieso Europa seinen ohnehin schon geringen Anteil an den Weltemissionen auf Zero bringen soll, während man für den in etwa gleichen Betrag zum Beispiel flächendeckend antiquierte Technologie ersetzen könnte. Weltweit wären damit in etwa 50% der Emissionen einzusparen, so Stelter. Natürlich dürfen solche Überlegungen nicht dazu dienen, die eigenen Bemühungen zu unterlassen, sondern sollen vielmehr Impulse für andere Denkrichtungen geben, denen dann auch eine entsprechende Umsetzung folgen muss.

Einblick in die Entscheidung der LME den Nickelmarkt auszusetzen
Am 8. März 2022 unterbrach die 146-jährige London Metal Exchange den LME-Nickelmarkt, nachdem die Preise in den frühen Morgenstunden in ungeahnte Höhen geschossen waren. An dem, zumindest für den Rohstoffhandel, historischen Tag wurden Transaktionen storniert, um den Markt vor einem Kollaps zu beschützen, so die LME. Einige Marktteilnehmer klagen nun gegen die LME, da sie behaupten, das Handeln der LME führte auf ihrer Seite zu einem Schaden.

Dokumente, die am 3. März 2023 bei Gericht eingereicht wurden und dem Nachrichtenportal Reuters vorliegen, geben einen detaillierten Einblick in die Entscheidungsfindung von LME-CEO Matthew Chamberlain und wie es zur Handelsunterbrechung kam. Die Dokumente geben an, dass das LME Operations Team am 8. März 2022 in den frühen asiatischen Handelsstunden die Preisbandbreiten für den Nickelkontrakt entfernte, wodurch es zu einem Anstieg der Preise auf über 100.000 US-Dollar pro Tonne kam. Zu dem Zeitpunkt schlief der CEO der LME noch, so dass die Entscheidung während seiner Abwesenheit getroffen wurde. Nachdem Chamberlain am frühen Morgen aufgewacht war, verfolge er den Markt auf seinem Handy und beschloss nach 20 Minuten, dass dieser irrational sei und dass der Handel gestoppt werden müsse. Später, zwischen 7:30 und 7:55 Uhr am 8. März 2022, wurde in einer Online-Sitzung der LME die Entscheidung getroffen, den Handel auszusetzen.

Die Gerichtsdokumente beschreiben die Behauptung der Klägerin, das Handelshaus Jane Street Global Trading, dass die Preiserhöhungen im frühen Handel aktiv durch das LME Operations Team unterstützt wurden, bevor die LME ihn manuell aussetzte. Ferner erklärte die LME gegenüber der Klägerin, dass sich das Trading Operations Team nicht darum kümmert, ob der Markt ordnungsgemäß funktioniert. Die Schadensersatzforderung von Jane Street Global Trading gegenüber der LME beträgt USD 15,34 Millionen.

LME (London Metal Exchange)

LME Official Close (3 Monate)
11. April 2023
  Nickel (Ni) Kupfer (Cu) Aluminium (Al)  
Official Close
3 Mon.Ask
23.200,00
USD/mt
8.842,00
USD/mt
2.308,00
USD/mt
 
LME Bestände in mt
  13. März 2023 11. April 2023 Delta in mt Delta in %
Nickel (Ni) 43.884 42.150 – 1.734 – 3,95%
Kupfer (Cu) 71.300 62.275 – 9.025 – 12,66%
Aluminium (Al) 543.525 512.725 – 30.800 – 5,67%

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