Das Casino ist zurück am Nickelmarkt. Shanghai Futures Exchange machte den Anfang. Zunächst war ein höherer Nickelbedarf in China die Begründung für den steilen Preisanstieg.
Gerüchten zufolge soll Indonesien ein früheres Ende der Nickelerzexporte planen. Auch das beflügelt natürlich den Markt. Der Präsident höchstpersönlich soll entscheiden.
Und auch die Batteriestory ist wieder da. Publikumsmedien überschlagen sich mit Schlagzeilen über die Attraktivität des Nickelmarkts. Recherche manchmal allerdings etwas fragwürdig.
Der reale Nickelmarkt und deren Verbraucher reiben sich überrascht die Augen. Die bisherigen Szenarien könnten sich als zu negativ erweisen. Edelstahl ist kein Ramschprodukt.
Dass Chinesen gerne ins Casino gehen, weiß man nicht erst seit James Bond und den legendären Glückspielszenen, zum Beispiel in Macau, dem Eldorado der Zocker im Fernen Osten. Was sich aber derzeit an den Nickelbörsen London Metal Exchange (LME) und Shanghai Futures Exchange (SHFE) abspielt, ist mehr als atemberaubend. Führte Nickel nach dem Boom in den Jahren 2005, 2006 und 2007 über viele Jahre ein regelrechtes Schattendasein, hat sich in den letzten Wochen zumindest scheinbar alles geändert. Ausgehend von haussierenden Kursen in Shanghai, setzte sich der Aufschwung logischerweise auch an der LME fort.

Zunächst machte man für den Preisanstieg an der Rohstoffbörse in China den höheren effektiven Bedarf einer besser laufenden chinesischen Edelstahlproduktion verantwortlich. Vor dem Hintergrund chinesischer Anti-Dumping-Zölle gegenüber den chinesisch beherrschten Edelstahlproduzenten in Indonesien, wurde eine bessere Kapazitätsauslastung und Edelstahlrohstoffnachfrage in China erwartet. Man höre und staune! Das chinesische Handelsministerium teilte am 22.07.2019 in einer Erklärung mit, dass ab dem darauf folgendem Tag auf ausgewählte Edelstahlsorten eine Anti-Dumping-Steuer in Höhe von 103,1% für Importe aus Indonesien, der EU, Japan und Südkorea erhoben werden soll. Diese Entscheidung folgte einer Untersuchung, nachdem ein Staatsunternehmen im letzten Jahr eine Beschwerde eingelegt hatte. Laut einer Auswertung von Fastmarkets, stammen aber nur ca. 4% aller Edelstähle aus der EU.

Nur drei Wochen später leitete auch die EU eine Antidumpinguntersuchung für ausgewählte Edelstahlsorten aus China, Indonesien und Taiwan ein. Aller Voraussicht nach würde dies am stärksten PT Indonesia Tsingshan Stainless Steel, eine Tochtergesellschaft der chinesischen Tsingshan Holding Group und volumenmäßig größter Produzent von Edelstahl in Indonesien betreffen. Doch bei einem Kursanstieg von USD 11.500,00/mt auf zeitweise über USD 16.500,00/mt greifen diese Erklärungen wohl zu kurz.

Also gab es bald neue Gerüchte und auch widersprüchliche Meldungen der Nachrichtendienste. Die indonesische Regierung könne planen, die Exporte von unraffinierten Nickelerzen, die nach wie vor eine wesentliche Quelle der Nickelversorgung der chinesischen Edelstahlproduktion darstellen, früher wieder zu beschränken. Bisher war dieser Schritt durch die Regierung erst für das Jahr 2022 angekündigt. Laut der Nachrichtenagentur Reuters, soll ein mögliches Exportverbot vom indonesischen Präsidenten Joko Widodo höchstpersönlich entschieden werden. Da China mit deutlich über 50% der Weltproduktion an Edelstahl auch den wesentlichen, weltweiten Nickelverbraucher darstellt, würde eine solche Angebotsverknappung natürlich nicht ohne Folgen bleiben. Doch noch ist nichts entschieden.

Der Plan der indonesischen Regierung liegt auf der Hand. Sobald die benötigte Infrastruktur vorhanden ist, sollen die Nickelerze im Inland verarbeitet werden. Neue Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum und damit Wohlstand für das Land wären die Folgen. Bisher scheint der Plan aufzugehen. Berichten zufolge planen bereits mehrere internationale Konzerne in Indonesien zu investieren. Der Automobilhersteller Hyundai möchte ca. eine Milliarde USD für ein Projekt in Karawang auf der Insel Java investieren. Die Vertragsunterzeichnung mit der indonesischen Regierung für das Projekt ist auf der ASEAN Konferenz im November vorgesehen. Ein Konsortium von Unternehmen im Bereich E-Mobilität, bei dem sich u.a. Daimler und Volkswagen beteiligen, plant sogar die Eröffnung einer Mine auf der Insel Sulawesi. Im Focus stehen die Rohstoffe Kobalt und Nickel. Toyota hatte bereits im Dezember vergangenen Jahres bekannt gegeben, zirka zwei Milliarden USD in Indonesien für die Entwicklung neuer E-Modelle auszugeben. Aktuell ist Indonesien noch der zweitgrößte Automobilhersteller in Südostasien nach Thailand.

Dennoch, die Märkte handeln Erwartungen und keine Wahrheiten und insofern geht diese Episode schon in Ordnung. Doch bringen sich vor dem Hintergrund der (langsam) steigenden Verkäufe von Elektromobilen und dem parallelen Aufbau einer globalen Batterieproduktion weitere Story-Teller oder Investment-Flüsterer in Stellung, die nur auf den richtigen Moment gewartet haben, um noch einmal mit den bereits bekannten Fakten durch die Drehtür zu kommen. Denn kaum hat Nickel einen solchen Sprung gemacht hat – und das ganz gegen den Trend aller sonstigen Wirtschaftsdaten und –informationen – werden natürlich auch gleich die Publikumsmedien wach, um die Dinge noch einmal aufzubrühen.

Eigene, solide Recherchen gibt es bei der ökonomischen Schieflage der meisten Zeitungsverlage ohnehin nicht mehr, so dass man sich, wie hier, auf das Abschreiben oder Zitieren ausgewählter Nachrichten beschränkt. Nicht immer zum Wohl der Kleinanleger und Sparer versteht sich. Das wird unter anderem an einem Artikel der eigentlich renommierten Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 12. August 2019 überdeutlich, dessen Autor den Aufschwung mit einer Schlagzeile vom Kaliber „Wie Phoenix aus der Asche“ preist.

Was dem Herrn allerdings, hoffen wir einmal aufgrund jugendlicher Unerfahrenheit und fehlender Kontakte zu seriösen Kennern der Materie, verborgen blieb, ist, dass sich Nickel bereits im Jahr 2007 auf einen Kurs von über USD 55.000,00/mt geschwungen hatte, um noch im gleichen Jahr auf USD 25.000,00/mt regelrecht „abzuschmieren“. Dagegen ist die aktuelle Szenerie wohl eher Pipifax. Um es aber klar zu sagen: Es ist nichts gegen moderate, kontinuierliche Steigerungen des Nickelkurses einzuwenden. Im Gegenteil, denn dieses Szenario belebt das Geschäft. Aber raketenhafte Anstiege, mit dem erheblichen Risiko eines kometenhaften Verglühens, sind für keinen gesund, außer vielleicht für kurzfristige Spekulanten, die mit möglichst wenig Aufwand, möglichst viel Gewinn machen wollen.

Und so ließ der überaus plötzliche und für vermutlich fast alle Marktteilnehmer überraschend stramme Anstieg der Nickelpreise insbesondere auch die weltweiten Edelstahlproduzenten, als weiterhin größte Nickelverbraucher, einigermaßen desorientiert und hilflos zurück. Dieser Orientierungsverlust ist allerdings vollkommen verständlich und ohne jede Häme, hatte man sich bei den Stahlherstellern doch eigentlich auf ein ganz anderes Szenario für den Sommer eingeschossen. Und dann auch noch in den großen Ferien, wo weite Teile der Administration und Hierarchien in Urlaub weilen. Das macht eine Koordination nicht unbedingt leichter.

Was aber ein echter Edelstahlwerker ist, den lassen auch solche Nickelpreisbewegungen, die es in den letzten Jahrzehnten zuhauf gegeben hat, nicht aus der Ruhe bringen. Bleibt aber auf jeden Fall zu wünschen, dass der Preisanstieg auch die Nachfrage des lagerhaltenden Edelstahlhandels anregt und dass es, wie in der Vergangenheit, zu einem Lageraufbau und damit parallel zu einem Anstieg der Auftragseingänge bei den Produzenten kommt.

Hier bleiben wir bei der schon vorgetragenen Ansicht, dass es sich bei der aktuellen Preisbewegung noch nicht um einen eigentlich neuen Uptrend handelt. Vielmehr kommt nun eine längst überfällige und notwendige Korrektur des durch bestimmte Investorenkreise betriebenen Nickel-Bashings zum Tragen. Das schließt eine grundsätzlich erwartete, stetig steigende Zusatznachfrage nach Batterienickel nicht aus, wenn man vom heutigen, technischen Stand der Elektromobilität ausgeht. Ein Nickelkurs von USD 11.000,00/mt war und ist vor dem Hintergrund der Kostenkurve der Nickelproduzenten bei allgemein steigenden Produktionskosten und abnehmenden Nickelgehalten der Erze, der stetig steigenden Nachfrage nach Nickeleinheiten sowie der geringen Verfügbarkeit von Edelstahlschrott nicht nachhaltig.

Schaut man sich zum Beispiel die schwache Performance der Ferronickelproduzenten in 2018 und im ersten Halbjahr 2019 an, ist eigentlich klar, wovon die Rede ist. Selbst bei den effizientesten Verfahren ist es diesen nicht möglich bei den bisherigen Kursniveaus auf einen grünen Zweig zu kommen. Darüber schweigt der FAZ-Artikel und die Tatsache, dass es sich um ein Publikumsmedium handelt, ist eigentlich keine Entschuldigung und auch kein schwacher Trost. Muss das wirklich so sein? Nein, die Leser müssen wieder bereit sein, für Qualität auch in den Medien etwas zu bezahlen. Das kann ein standardloser (Online-)Newsflow nicht ersetzen.

Doch zurück zum Thema: Kurse in einer Bandbreite von USD 13.000,00/mt bis USD 15.000,00/mt sind heute vermutlich eher ein angemessenes Niveau und genau dorthin haben sich die Märkte nun bewegt. Bei den Wechselkursen würde man von der langfristigen Bewegung der Kurse hin zu einer Purchasing Power Parity (PPP bzw. Kaufkraftparität) sprechen. Also eigentlich gar nicht überraschend.

Nun ist es allerdings die ungewohnte Aufgabe des Vertriebs der Edelstahlproduzenten und –händler, nach jahrelang schwachen Rohstoffpreisen, diesen einfachen Zusammenhang auch einmal den eigenen Kunden klar zu machen, anstatt auf Kosten der eigenen Marge und der Margen der ganzen vorgelagerten Wertschöpfungskette, die Verkaufsmengen zu optimieren. Denn Edelstahl ist kein Ramschprodukt, sondern ein komplexer, hochwertiger und dabei gegenüber allen anderen Alternativen preiswerter Rohstoff.

Doch nach so vielen Details, vielleicht zur Erholung, etwas Anderes oder wie man früher sagte, ein Kessel Buntes. In weiten Kreisen der Mainstream-Plauderer in Politik, Wirtschaft und Medien ist es gute Sitte das Digitale und Virtuelle gegenüber dem Realen über Gebühr zu loben und den uneinholbaren Vorsprung der USA in diesem Bereich gegenüber Deutschland und der EU zu unterstreichen. Dieses Phänomen hat unter anderem so nichtssagende Worthülsen wie „Internet der Dinge“, „Agilität“ und „Disruption“ hervorgebracht.

In diesem mitunter reflexionsarmen Umfeld sei eine wahre Geschichte berichtet, die vielleicht einmal zum Nachdenken über die Pauschalität von getätigten Aussagen und Forderungen anregt. Wie die eben schon zitierte FAZ am 14. August 2019 berichtet, wurde die Blogging-Plattform Tumblr verkauft, beziehungsweise wie die FAZ titelt „verramscht“. Vor rund 6 Jahren hatte der auch schon nicht mehr ganz faltenfreie Internetkonzern Yahoo, seinerzeit noch selbständiger Betreiber einer einigermaßen bekannten Suchmaschine gleichen Namens, in einem offensichtlich nicht ganz wohl überlegten „Move“, die Blogging-Plattform Tumblr gekauft. Der Preis war seinerzeit mit 1,1 Milliarden Dollar auch einigermaßen stolz gewesen, so dass man es mehr als nachvollziehen kann, dass der 26-jährige Gründer und Vorstandschef David Karp seinen Mitarbeitern „Fuck yeah“ schrieb. Ein echtes Meisterstück, wenn man bedenkt, dass Tumblr zu dieser Zeit trotz einer respektablen Nutzergemeinde kaum Umsatz machte.

Nach zahlreichen Abschreibungen sowie Manager- sowie Eigentümerwechseln bei Yahoo respektive Verizon wurde nun, gerade einmal 6 Jahre später, der Verkauf beschlossen. Wie die Online Publikation Axios beziffert, zu sage und schreibe weniger als 10 Millionen Dollar. Das darf man ruhig einmal Geldvernichtung nennen. Und gut, dass es sich dabei um eine Episode in den USA handelt, dem Meisterschüler des Internets. Nun werden einige jaulen, dass es bei unternehmerischem Handeln immer auch Rückschläge gibt und wer nichts wagt, der nichts gewinnt. Doch Nachdenken hat noch nie geschadet. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass so mancher Internet-, Mobiltelefon- oder E-Auto-Konzern in den USA schneller wieder verschwunden sein wird, als die Deutsche Bank. Und das will schon etwas heißen. Das zwischenzeitlich sogar die Pornoseite Pornhub als möglicher Interessent, für Tumblr natürlich und nicht für die Deutsche Bank, gehandelt wurde, ist da nur eine traurige, aber immerhin schillernde Randnotiz.

Und die Moral von der Geschicht‘? Immer wieder fallen Manager, Investoren, Leute in ihrer Gier und Hybris um das schnell und scheinbar mühelos verdiente Geld auf solche „Opportunitäten“ herein. Und tatsächlich, auch bei diesem Spiel gibt es Gewinner und Verlierer, nur echte Wertschöpfung, die gibt es nicht. Daher die flehentliche Bitte an die Entscheider auch im Bereich von Internet, neuen Medien und künstlicher Intelligenz, nicht völlig Vernunft, Fakten und Zahlen auszublenden. Außer vielleicht den USA benötigt die Welt weniger Blasen und mehr Realitätssinn. Geld wird eben nicht nur mit Marketing und dem richtigen Timing verdient, sondern langfristig nur mit nachhaltigen Geschäftsmodellen, die auch eine echte Nachfrage befriedigen.

Eine andere aktuelle Erscheinung, aber auch ein großartiges Marketing im Dienst der guten Sache, ist Greta Thunberg, die Gallionsfigur der Klimabewegung unserer Kinder und Enkel. Der Autor hofft, es ist überhaupt politisch korrekt, eine solche Äußerung zu tätigen, denn die Forderungen sind ja zu einem nicht unerheblichen Teil durchaus zu unterschreiben. Auch wenn die letzte Erkenntnis für die Ursachen des Klimawandels vielleicht fehlt, ist es dennoch besser heute zu handeln, als weiter zu zögern. Das war schon bei der Ausrottung der Pest so. Man nennt so etwas in Wissenschaftskreisen auch das phänomenologische Kausalitätsideal.

Musste sich ein kurzfristig auch überraschend erfolgreicher SPD-Parteivorsitzender und –Kanzlerkandidat Martin Schulz noch über Jahrzehnte hocharbeiten, um seine Eignung und Expertise zu belegen, hat es Greta heute offensichtlich ein wenig leichter. Dem offen gestanden sehr sympathischen, einprägsamen und auch regelmäßig oder eigentlich sogar ausschließlich betroffen schauenden Gesicht, kann man kaum entgehen. Kein Fernsehkanal, keine Tagezeitung, kein Hochglanzmagazin, das noch nicht über diese junge Dame getitelt hätte. So ehrlich und authentisch die Motive hoffentlich sind, so bewegt sich das Non-Profit-Unternehmen Thunberg dennoch auf einem schmalen Grat.

Denn, wie das Beispiel Schulz zeigt, kann sich ein Testimonial, trotz bester Motive, auch sehr schnell wieder abnutzen. Dafür genügen bei den aufmerksamkeits- und skandalheischenden Medien die kleinsten Verfehlungen. Bleibt zu hoffen, dass die Schülerin mit ihrem „Management“ die Dinge unter Kontrolle behält. Schon gibt es erste Berichte, die den „tatsächlichen“ Kohlendioxidverbrauch ihres Segeltörns in die USA analysieren und kritisieren. Dabei geht es doch um Symbolpolitik. Oder?

Dem deutschen Traditionskonzern ThyssenKrupp droht im September der Abstieg aus dem DAX. Seitdem der ehemalige Finanzvorstand Guido Kerkhoff das Ruder übernommen hat, hat sich der Aktienkurs mehr als halbiert. Ob der noch härtere Sparkurs das Unternehmen retten kann, ist fraglich. Das Verbot der Stahlfusion durch die EU Wettbewerbshüter, die Schuldenlast von zirka 5 Milliarden Euro und die schwächelnde Autobranche machen dem Unternehmen zu schaffen. Auch die Ratingagentur Moody’s senkt den Daumen für ThyssenKrupp. Das Rating wurde von Ba2 auf Ba3 herabgestuft.

LME (London Metal Exchange)

LME Official Close (3 Monate)
19. August 2019
Nickel (Ni) Kupfer (Cu) Aluminium (Al)
Official Close
3 Mon.Ask
16.010,00
USD/mt
5.790,00
USD/mt
1.795,00
USD/mt
LME Bestände in mt
15. Juli 2019 19. August 2019 Delta in mt Delta in %
Nickel (Ni) 150.324 149.640 – 684 – 0,46%
Kupfer (Cu) 285.825 330.125 + 44.300 +15,50%
Aluminium (Al) 945.375 962.350 + 16.975 + 1,80%

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