LME-Nickelnotierung in enger Range. Mit mehr Zuversicht Bandbreite nach oben durchbrochen. Erste Stimuli in China. Erwartungen waren überoptimistisch. Realismus statt Pessimismus als Perspektive.

Commerzbank warnt: Versorgung bei Nickel nicht unterschätzen. Hohes Maß an Orientierungslosigkeit. Klare Referenz für den Nickelmarkt fehlt. Festpreise sind es nicht und auch keine neuen Marktplätze.

Weltbank sieht 2023 besser und 2024 schwächer. Der Economist fragt, ob es das in China gewesen ist (Peak China). Es stottert wie anderswo vor allem die fertigende Industrie. Sorgenkind Immobiliensektor.

Grün, grüner, leider nicht am grünsten. In Indonesien gibt es auch Luft nach oben. Klimaschutz braucht Rohstoffe. Am besten Saubere. Elektromobilität muss den ganzen ökologischen Fußabdruck umfassen.

Mit eindeutiger Referenz wäre Nickelmarkt effizienter
Seit Mitte Mai hat sich die Nickelnotierung an der London Metal Exchange (LME) noch weiter abgeschwächt, allerdings nur noch „ein wenig“. Der größte Teil der Abwärtsbewegung von den relativen Höchstständen zum Anfang des Jahres und nach einem Zwischenhoch im Februar, mit Kursen von jeweils über USD 30.000,00/mt, war bis dahin bereits vollzogen. Seitdem ist eine Bodenbildung festzustellen. Das Basismetall handelte vornehmlich in einer relativ engen Bandbreite von USD 20.500,00/mt auf der Unter- und USD 21.500,00/mt auf der Oberseite. Zuletzt scheint die Zuversicht der Marktteilnehmer wieder ein wenig zu steigen, nachdem unter anderem die chinesische Zentralbank mit einer Senkung der kurzfristigen Finanzierungssätze nach 10-monatiger Abstinenz ein erstes Zeichen gesetzt hat, dass man die schwächelnde wirtschaftliche Entwicklung nicht untätig tolerieren möchte. Damit wären aber auch zirkulierende Befürchtungen widerlegt, die chinesische Regierung könnte sich mit einer prognostizierten Wachstumsrate von 5% schon zufriedengeben.

Vielleicht sieht man hier auch einen Hinweis auf weitere und ähnliche Schritte bei den längerfristigen Finanzierungs-kosten und damit auch dafür, dass weitere Stimuli in der chinesischen Pipeline sind? Zumindest war eine solche „Choreographie“ in der Vergangenheit schon häufiger zu beobachten. Außerdem schwächt sich die Inflation in den USA weiter ab, was eigentlich angekündigte Zinserhöhungen zumindest zeitlich strecken sollte und den US-Dollar gegenüber den anderen Währungen etwas weicher werden lässt. In diesem Umfeld liegt der 3-Monats-Nickelkontrakt bei Drucklegung mit einem Preis von rund USD 22.500,00/mt oberhalb des Handelsbandes.

Insgesamt lässt sich wohl feststellen, dass die Korrektur der Nickelnotierungen im Speziellen und der wirtschaftlichen Entwicklung im Allgemeinen eher an einer zuvor möglicherweise übertrieben positiven Erwartung als einem neuen Pessimismus festzumachen sind. Klar ist, dass die regionalen und globalen Herausforderungen weiter bestehen und die Öffnungen in China nach der Abschaffung der rigiden Maßnahmen (noch) nicht die erhoffte Konjunkturbelebung im Reich der Mitte gebracht haben. Daher wird man nun auch seitens der Zentralbank tätig.

Commerzbank warnt vor Fehleinschätzung
Die Rohstoffanalysten der Commerzbank warnen aber, dass man die Situation bei Nickel an der LME nicht unterschätzen darf, denn die Versorgungsituation mit Class 1 Nickel ist aus deren Sicht weiter knapp. Überangebot, zum Teil auch nur behauptet, gibt es vor allem in anderen Segmenten des Nickelmarktes. Und dazu kommt, dass diese Quellen gar nicht für alle weltweiten Nickelverbraucher zugänglich sind. So wird zum Beispiel indonesisches NPI (nickel pig iron) beziehungsweise Ferronickel fast ausschließlich in China oder Indonesien verbraucht. Eine tatsächliche Arbitrage der übrigen Nickel- oder Edelstahlschrottpreise mit dem NPI-Preis kann daher faktisch gar nicht stattfinden.

Überhaupt muss man feststellen, dass die Marktverwerfung im Nickelmarkt Anfang März 2022 und die daraufhin erfolgten Reaktionen einzelner Marktteilnehmer leider ein hohes Maß an Orientierungslosigkeit gebracht haben. Eine allseits anerkannte Referenz fehlt nach wie vor. Jeder macht sich seinen eigenen Reim und so nehmen Marktmacht und Opportunismus gegenwärtig einen weitaus größeren Raum ein als zuvor, als es eine doch im Wesentlichen von Angebots- und Nachfragedaten getriebenen Preisbildung mit individuellen Auf- und Abschlägen je nach Form und Güte gab. Wie sollen sich Fest- und Inklusivpreise sinnvoll entwickeln, ohne dass es irgendwelche Referenzen mehr zu geben scheint.

Die Markteffizienz hat jedenfalls deutlich nachgelassen und um die vollmundigen Ankündigungen vom Jahresbeginn zum Beispiel der Global Commodities Holdings (GCH) bezüglich Alternativen zur LME ist es still geworden. Möglicherweise weil derartige Alternativen gar nicht benötigt werden? Es steht zwar völlig außer Frage, dass es dem LME-Nickelmarkt (wie im Übrigen auch demjenigen an der Shanghai Metal Exchange) massiv an Liquidität mangelt, aber daran wird zumindest gearbeitet. Und weitere Handelsplätze würden nur für eine weitere Zersplitterung der ohnehin schon zu geringen Volumina sorgen. Dennoch wäre auch durch die LME zu überlegen, ob nicht ein Nickelfuture in Zukunft andere Nickelgüten repräsentieren müsste, die einen größeren Teil des Marktes als Class 1 Nickel repräsentieren.

Aufhorchen lassen allerdings auch Gerüchte, dass der chinesisch-indonesische Nickel- und Edelstahlhersteller Tsingshan oder sagen wir doch besser ein chinesisch gesteuertes Unternehmen wieder Short-/Verkaufs-Positionen an der LME im Nickelmarkt aufbauen soll. Wie zu hören ist, vermutet man, dass die Bestrebung ist, durch niedrigere Nickelpreise den Anteil der in Indonesien verbleibenden und besteuerten Wertschöpfung gegenüber dem Anteil der nach China exportierten und besteuerten Wertschöpfung reduzieren möchte. Eine ökonomisch nachvollziehbare, vielleicht aber doch etwas gewagte Überlegung. Dennoch soll Tsingshan nun, anders als noch im März 2022, über ausreichende Reserven an LME-börsengängigem Nickel verfügen, welches im Notfall zur Bedienung der Short-Positionen eingesetzt werden könnte. Kaum zu glauben und für die LME unbedingt zu kontrollieren, wenn es denn wirklich stimmen sollte.

Weltbank sieht besseres 2023 schwächt aber Prognosen für 2024 ab
Anfang Juni veröffentlichte die Weltbank ihre neuesten Wachstumsprognosen für 2023 und 2024. Während die Ökonomen in der Erwartung höherer Leitzinsen und engerer Kreditlinien ihre Prognosen für das Weltwirtschaftswachstum 2024 von 2,7% auf 2,4% reduzierten, erhöhten sie hingegen die Perspektive für 2023. Demnach wird nun ein Wachstum von 2,1% gesehen, gut 0,4%-Punkte höher als noch im Januar. Die Ökonomen stützen diesen besseren Ausblick vor allem auf einen starken US-amerikanischen Arbeitsmarkt sowie Inlandskonsum, und auf die Öffnung Chinas nach Aufhebung der Corona-Auflagen (siehe auch oben). Erst Ende 2022 hatte China damit begonnen, seine strikten Corona-Schutzmaßnahmen sukzessive einzustellen. So sehen die Experten der Weltbank Chinas Bruttoinlandsprodukt nun um 5,6% im Vergleich zum Vorjahr steigen, ein Plus von 1,3%-Punkten zur Januar Prognose. Für Europa änderten sie ihre Erwartung von Stagnation auf ein leichtes Plus von 0,4%.

Prognosen jedoch müssen auch erst einmal erreicht werden. Im ersten Quartal 2023 zum Beispiel betrug Chinas Wirtschaftswachstum nur 4,5%. Aktuell stottert in den meisten Regionen der Welt, darunter auch China, vor allem die fertigende Industrie. Zwar verbesserte sich der offizielle Caixin Einkaufsmanagerindex – ein Indikator für die Aktivitäten im produzierenden Gewerbe – im Mai auf fast 51 Punkte (ggü. 49,5 im April), Daten zum Außenhandel hingegen enttäuschten und zeigten für Mai einen Rückgang von 7,5% im Vergleich zum Vorjahr. Auch der Immobiliensektor in China ist weiterhin schwach, weswegen sich jüngst erneut Spekulationen über entsprechend staatlich geförderte Konjunkturprogramme breit machten.

Steht die Weltwirtschaft vor „Peak China“?
Der renommierte britische „Economist“ nahm sogar kürzlich Chinas gegenwärtige wirtschaftliche Lage zum Anlass zu fragen, ob nun „Peak China“ erreicht wäre. Seit über vier Dekaden hat China mit seinem außerordentlichen Wachstum die Weltwirtschaft geprägt. Faktoren wie eine alternde Bevölkerungsstruktur, und damit langfristig ein Rückgang der verfügbaren Arbeitskraft und geringer ausfallende Produktivitätssteigerungen, weniger Infrastrukturausgaben und nicht zuletzt eine breitere Aufstellung von internationalen Lieferketten und Reduzierung der Abhängigkeit von China führen langfristig zu einer Abschwächung des wirtschaftlichen Potenzials.

Vor gut einer Dekade hatte die Bank Goldman Sachs als Erfinder der BRICS-Theorie noch prognostiziert, dass China 2026 an Amerika wirtschaftlich in einem hohen Tempo vorbeirauschen würde. Diese Prognose ist mittlerweile kassiert. Eine aktuelle sieht nun das Jahr 2035 als möglichen Zeitpunkt, an dem die beiden Wirtschaftsmächte gleich auf sein werden. Und dies bei einer deutlich abgeflachten Steigung. „Peak China“, so der Economist, bedeutet, sich mittelfristig auf ein wirtschaftlich ähnlich starkes China und Amerika einzustellen.

Es ist nicht alles so grün, wie es scheint
Klimaschutz braucht Rohstoffe – aber wie steht es um das Thema Nachhaltigkeit und vor allem auch um den ESG – Environmental, Social und Governance – Gedanken bei der Gewinnung dieser Rohstoffe? Elektromobilität ist in Europa als ein Pfeiler der Energiewende ausgemacht. In den Elektrofahrzeugen stecken Batterien für deren Herstellung Metalle wie Kobalt, aber auch Nickel benötigt werden. Die Zugabe von Nickel führt zu einer höheren Energiedichte der Batterie und damit auch zu einer höheren Reichweite des Fahrzeugs. Um die Nachfrage nach entsprechendem, batteriefähigem Nickel zu decken, kommt Indonesien als das Land mit den größten bekannten Nickel-Reserven ins Spiel. Regelmäßig ist in der Presse über namhafte OEMs wie Tesla, Ford, Volkswagen, etc. zu lesen, welche entsprechende Kooperationen oder Langfristliefervereinbarungen mit Rohstoffherstellern eingehen.

Doch die Herstellung batteriefähigen Nickels ist technologisch anspruchsvoll. Eine mögliche Prozessroute ist ein nassmetallurgisches Verfahren, das im englischen Sprachgebrauch als „High Pressure Acid Leach“ (HPAL) bekannt ist. Dabei handelt es sich um einen Laugungsprozess, in dem dem Erz unter hohem Druck (> 40 bar) und bei höherer Temperatur (>200°C) das Nickel und gegebenenfalls weitere Metalle sozusagen „entzogen“ werden. Das Problem hierbei ist nicht nur ein grundsätzlich höheres Investitionsvolumen oder das mit dem Verfahren inhärente technologische Risiko, sondern auch eines des nachhaltigen Umgangs mit Prozessrückständen: typischerweise entstehen bei der Aufbereitung einer Tonne Erz in diesem Verfahren circa 1,5 Tonnen belasteter Rückstände. Diese müssen entsprechend deponiert werden. Zusätzlich werden bei der weiteren Raffination zu marktgängigen Rohstoffprodukten auch große Mengen an Energie benötigt, die häufig leider noch nicht aus regenerativen Quellen, sondern aus Kohlekraftwerken stammen.

Grundsätzlich wird deutlich, dass der stark ansteigende Bedarf an Rohstoffen wie Nickel auch mit einem erhöhten ESG-Risiko aus Bergbau und Verarbeitung einhergeht. Das, was lange schon entsprechenden Experten und Industrie-Insidern bekannt war, findet mittlerweile auch ein breiteres Publikum. In einem kürzlich in der Washington Post veröffentlichten Artikel blicken die Autoren hinter die Kulissen des weltweiten EV-Booms. Sie zeigen auf, was es für Umwelt, Bevölkerung und Arbeitnehmer in Bergbauländern wie Indonesien bedeutet, den aktuellen und zukünftigen Bedarf an Rohstoffen wie Nickel zu decken.

Kann es sich die Automobilindustrie leisten, auch vor dem Hintergrund des noch nicht allzu lang zurückliegenden Dieselskandals, die Augen vor den offensichtlichen ESG-Risiken, die mit dem massiven Nickelabbau verbunden sind, zu schließen? Hier bedarf es entsprechender Anforderungen und Richtlinien die den ganzen ökologischen Fußabdruck umfassen: von den CO2-Emissionen, über die Behandlung und Deponierung der Bergbaurückstände bis hin zur Umweltverträglichkeitsprüfung auch im Hinblick auf die Biodiversität. Bei dem rasanten Wachstum der Nickel-Industrie in Indonesien und dem damit auch für Land und Bevölkerung verbundenen ökonomischen Nutzen, sind die entsprechenden Aspekte an der ein oder anderen Stelle sicher etwas zu kurz gekommen. Klar ist, dass entsprechend hohe Standards auch zu höheren Kosten der Nickelproduktion in Indonesien führen werden. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich in einigen Ländern bereits eine entsprechende Recycling Industrie für Elektroautobatterien im Aufbau befindet.

Generation AA
Noch ein Gedanke, der nicht unbedingt direkt etwas mit den Rohstoffmärkten zu tun hat, am Ende um drei Ecken aber vielleicht schon. Viel wird vor allem in Europa und den USA über die Generation Z und deren neuen Wertekanon gesprochen und manchmal auch diskutiert. Klar ist, dass die Generation Z (manchmal auch vereinfacht als Generation „Lastenrad“ bezeichnet) in nicht allzu weiter Ferne und als schlichte Frage der Zeit die wesentliche Kraft in politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Ämtern sein wird. Auch wird diese nicht erst dann ihre Forderungen und Vorstellungen mit den Realitäten und Erfahrungen abgleichen und der weiteren Entwicklung ihren Stempel aufdrücken.

Ohne jedoch hier Inhalte zu debattieren für die es wie immer Pros und Contras gibt, stellt sich jedoch in diesem Zusammenhang noch eine andere, ausschließlich technische Frage. Welche Generation folgt eigentlich auf die Generation Z? Oder ist danach die Welt zu Ende? Oder gibt es fortan nur noch Z-Generationen? Z ist nun einmal der letzte Buchstabe im lateinischen beziehungsweise römischen Alphabet. Wird man also zu einem anderen Alphabet umschwenken und es folgt vielleicht die Generation Alpha nach dem griechischen Alphabet oder die Generation AA und dann AB, wie bei der Excel-Software? Wenn nun einer denkt oder sagt, ob das nun wirklich das einzige Problem ist, dass wir aktuell haben, dann ist diese Feststellung sicher absolut richtig.

 

LME (London Metal Exchange)

LME Official Close (3 Monate)
14. Juni 2023
  Nickel (Ni) Kupfer (Cu) Aluminium (Al)  
Official Close
3 Mon.Ask
22.305,00
USD/mt
8.466,50
USD/mt
2.243,00
USD/mt
 
LME Bestände in mt
  15. Mai 2023 14. Juni 2023 Delta in mt Delta in %
Nickel (Ni) 39.294 37.116 – 2.178 – 5,54%
Kupfer (Cu) 76.875 84.250 + 7.375 + 9,59%
Aluminium (Al) 568.200 572.775 + 4.575 + 0,81%

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