Nickelnotierungen uneinheitlich. Wie gewonnen, so zerronnen. Stimmung ist aktuell schlecht. Protektionismus, Brexit, Türkei, Italien, Frankreich. Gründe gibt es genug. Lösungen Mangelware.

Unsicherheit und sinkende Nickel- und Rohstoffkurse sorgen für Bestandabbau im Edelstahl. Das reduziert den Auftragseingang und die Produktion. Zusammenhang gilt aber auch im Positiven.

Positive Nachrichten könnten aber eine Wende bringen. Nickelpreise nicht auf einem nachhaltigen Niveau. Zeitpunkt für den Stimmungsumschwung allerdings unklar.

Studie der BCG untersucht die Einstellung der Unternehmen zum Hedging. Interessante Erkenntnisse. Urban Mining findet immer mehr Unterstützer in der EU. Schrott als Musikinstrument.

Die Nickelkurse an der London Metal Exchange (LME) zeigten sich über den vergangenen Monat durchweg uneinheitlich. Zunächst kam es zu einer weiteren Schwächephase im Zusammenhang mit der Eskalation des Handelskonflikts zwischen USA und China, die die Preise deutlich unter USD 11.000,00/mt und damit auf neue Jahrestiefststände drückte. Durch den Preisdruck und die allgemein zunehmende Unsicherheit hinsichtlich der weiteren globalen Wirtschaftsentwicklung war schon seit einiger Zeit ein Rückgang der Edelstahlproduktion festzustellen. Auch macht das Schreckgespenst einer Rezession in den USA die Runde, nachdem die langfristigen Zinsen nicht weiter ansteigen, sich die kurzfristigen Zinsen aber durch weitere Zinsschritte der US-Notenbank Federal Reserve weiter nach oben bewegen und die Wirtschaftsdynamik drosseln könnten. Eine derartige sogenannte inverse Zinsstruktur gilt gemeinhin als ein relativ verlässlicher Indikator für einen Abschwung. Andererseits könnte eine entsprechende Zurückhaltung der amerikanischen Zentralbank bei der weiteren Straffung der Geldpolitik oder eine allgemein bessere Stimmung an den Märkten auch für eine Wende sorgen.

Der lagerhaltende Edelstahlhandel übt sich aufgrund dieser gegenwärtig eher bescheidenen Rahmenbedingungen und noch verstärkt durch das System der Legierungszuschläge im Bestandsabbau, was die Nachfrage weiter dämpft. Auch will man Abwertungsrisiken im Lagerbestand, besonders im Hinblick auf den herannahenden Bilanzstichtag, vermeiden. Das ändert aber nichts daran, dass für den Nickelmarkt auch im Jahr 2019 mit einem deutlichen Angebotsdefizit gerechnet wird. Durch die Unterdeckung der vergangenen Jahre haben sich auch die Reichweiten der gesamten Nickellagerbestände, nicht nur sichtbar an den LME- und SHFE (Shanghai Futures Exchange)-Lagerbeständen, weiter normalisiert.

Die Macquarie Bank geht für 2019 von einer Bestandsreichweite von 11,1 Wochen aus und auch in 2020 soll diese weiter auf 9,7 Wochen sinken. Im Rohstoffkrisenjahr 2015 hatte diese für Nickel noch 25,2 Wochen, also mehr als das Doppelte betragen. Und auch die Edelstahlproduktion in China zeigt aktuell, anders als in Europa, schon wieder ein Wachstum. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die allgemein niedrigen Edelstahlpreise den Werkstoff auch für weitere Anwendungen attraktiv machen könnten. Diese Substitutionseffekte könnten dann die Edelstahlnachfrage insbesondere in Asien verstärken. Da überrascht es nicht, dass die meisten Analysten ihre Preisvorhersagen in den letzten Monaten zwar nach unten korrigiert haben, allerdings in ihren Erwartungen weiterhin deutlich über den aktuellen Preisen liegen. Denn die Nickelnotierungen befinden sich nicht eben auf einem nachhaltigen Niveau.

Auch der LME-Nickelmarkt nimmt im Übrigen dankbar jegliche Anzeichen einer Besserung des Umfelds zum Anlass, die Preise wieder ansteigen zu lassen. So reichten zunächst Gerüchte und später auch eine offizielle Bestätigung über eine erneute Annäherung von USA und China während des G20-Gipfels in Brasilien aus, die Kurse wieder bis zu USD 11.400,00/mt steigen zu lassen. Die dann auf Geheiß der USA wegen angeblicher Sanktionsvergehen erfolgte Festnahme der Huawei-Finanzchefin in Kanada, machte aber die Erholung schnell wieder zunichte.

All das zeigt, wie stark der Nickelpreis aktuell von politischen und makroökonomischen Faktoren beeinflusst wird. Die niedrigeren Preise nehmen aber einen unmittelbaren Einfluss auf die Edelstahlnachfrage, den Auftragseingang und damit die Produktion. Und dieses allgemein „bearishe“ Sentiment, führt natürlich auch bei Investoren und Spekulanten an den Rohstoffmärkten zu einer entsprechenden Zurückhaltung, wenn nicht sogar zu kurzfristigen Positionierungen auf der Verkaufsseite, was ebenfalls die Kurse in der Tendenz nach unten bringt.

Sollte sich aber das Umfeld nur leicht bessern und die Politik ausnahmsweise auch einmal für Lösungen zum Beispiel des Handelskonflikts oder des Brexits sorgen, könnten die Preise auch schnell wieder spürbar ansteigen, was dann wiederum zu einem Ansteigen der Auftragseingänge und zu einem Bestandsaufbau mit positiven Verstärkungseffekten führen könnte. Wann das allerdings passiert, ist derzeit eher unsicher. Dennoch liegen die Dinge augenblicklich noch relativ nah bei einander und es gibt zwar Anzeichen einer konjunkturellen Abkühlung, aber noch keine weltweite Rezession.

Manchmal beschleicht einen aber schon der Eindruck, der ein oder andere politische Entscheidungsträger würde geradezu mutwillig auf der Weltkonjunktur herumtreten, um sich selbst die eigene Machtfülle zu beweisen. Auch könnten China und auch die USA, anders als Europa, die noch bestehenden monetären und sonstigen Spielräume für einen Stimulus zur Kompensation der negativen Folgen des Handelskonflikts nutzen. Sicher wäre aber eine Einigung bei weitem die beste Lösung für alle Beteiligten. Die Frage wird nur sein, wie man diese der jeweils eigenen Bevölkerung nach der Eskalation und dem „Krieg der Worte“ als Erfolg verkaufen kann.

Eine geeignete Maßnahme, sich gegen die aktuellen makroökonomischen und politischen Rahmenbedingungen abzusichern, wäre es – so denn noch nicht vorhanden – eine Hedging-Strategie zu verabschieden und konsequent umzusetzen. Hierzu zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie einer Tochter der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG), dass nur wenige Unternehmen aus der DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz)-Region und dem Vereinigten Königreich dies tun. 88% der Teilnehmer erwarten einen Handelskrieg. Sogar 93% der befragten Unternehmen rechnen mit steigenden Rohstoffpreisen, die auf einen zunehmenden Protektionismus zurückzuführen sind. Nur 23% sehen hingegen Finanzinstrumente als ein geeignetes Instrument zur Absicherung der Rohstoffeinkäufe. Daher ist auch nicht verwunderlich, dass 73% der Befragten maximal 10% des Rohstoffbedarfs über Finanzinstrumente absichern.

Zu den häufigsten Erklärungen einer fehlenden Hedging-Strategie nennen die Befragten, dass sie keine passenden Derivate für die zugrunde liegenden Rohstoffe kennen. Ein Zeichen von Unwissenheit: Zahlreiche Rohstoffe und Währungen (inklusive der digitalen Achterbahn-Währung Bitcoin) lassen sich an der Börse absichern.  Darüber hinaus wird Hedging in nicht wenigen Vorstandsetagen als spekulativ angesehen. Die richtige Schlussfolgerung wäre andersherum. Eine fehlende Hedging-Strategie als spekulativ anzusehen. Schließlich schlagen Schwankungen der Einkaufspreise ungesicherter Rohstoffe voll in der Ergebnisrechnung durch. Weiter nennen die Befragten eine fehlende Expertise über Finanzinstrumente im Unternehmen als Grund dafür, dass Rohstoffpreise nicht abgesichert werden.

Das Wissen um die Vorzüge von Finanzinstrumenten hatte bereits der griechische Gelehrte Aristoteles. So berichtete dieser in seinem Werk „Politik“, welches im Jahr 332 vor Christus erschien, über den Handel mit Optionen des Gelehrten Thales von Milet. Aufgrund von Beobachtungen der Sterne und des Wetters schlussfolgerte Thales in einem Winter, dass die Olivenernte im folgenden Jahr besonders gut ausfallen dürfte. Daraufhin kaufte er alle Rechte zur Nutzung der Olivenpressen in seiner Heimat. Die Ernte fiel dann tatsächlich reichlich aus, was zu einer starken Nachfrage nach Ölmühlen führte. Die Nutzungsrechte verkaufte Thales von Milet anschließend teuer weiter. Mit seiner „Ölpressen-Call-Option“ konnte dieser seinen Einsatz vervielfachen.

Als durchaus erfreulich darf man die Wertschätzung bezeichnen, die das Stahl- und Metallrecycling heute von berufenen Repräsentanten der EU-Kommission erfährt. Der Begriff Urban Mining ist inzwischen in aller Munde. Peter Handley, Chef der Rohstoffeinheit (Resource Efficiency and Raw Materials) der EU-Kommission machte auf der von der EU organisierten Rohstoffwoche (Raw Materials Week) klar, dass das Stahlrecycling neben der Schonung der primären Ressourcen auch erhebliche Energie- und Emissionseinsparungen mit sich bringt und Urban Mining damit ein unverzichtbarer Bestandteil der 2015 formulierten Circular-Economy-Strategie der EU-Kommission ist. Allerdings gibt es auch noch Herausforderungen. Insbesondere die Tatsache, dass Produkte und die jeweils verwendeten (Verbund-)Werkstoffe immer komplexer werden, macht ein Recycling nicht unbedingt auch zwingend leichter. Daher sollte es eine Bedingung sein, schon bei der Entwicklung von innovativen Materialien und Produkten immer auch auf die Recyclingfähigkeit am Ende des Produktlebenszyklus zu achten. Das ist leider noch zu selten der Fall.

Musik kennt keine Grenzen. Der Düsseldorfer Künstler Björn Frahm sucht derzeit junge motivierte Künstler für ein Musikprojekt. Anlässlich des 250. Beethoven-Geburtstags möchte Frahm unter seinem Künstlernamen „Freeze 4U“ die neunte Sinfonie auf Schrottteilen aufführen. Mit diesem außergewöhnlichen Projekt möchte er jungen Menschen neue Horizonte im Bereich klassischer Musik eröffnen. Gleichzeitig soll das Musizieren auf Schrottteilen ein Bekenntnis zur Nachhaltigkeit sein. Selbstverständlich werden die Instrumente selbst gebaut und gestimmt. Das Ergebnis dürfen sich Musikbegeisterte bei einem Konzert im Dezember 2019 anhören. Zusätzlich sind Flashmobs und eine Radioaufführung geplant. Bekannt wurde der Künstler bereits vor einigen Jahren. So hat er eine Band gegründet, deren Mitglieder eins gemeinsam hatten: Alle kamen als Flüchtlinge nach Deutschland.

Abschließend möchten wir unseren Leserinnen und Lesern das „Handbuch legierter Stahlschrott“ empfehlen, welches gerade von der Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen e.V. (kurz: BDSV) veröffentlicht wurde. Es ist sowohl als schnelles Nachschlagewerk, als auch zur vertiefenden Lektüre geeignet: ein in der Ausführung attraktives und handliches, aber auch unempfindliches Booklet. Es bietet sich also für den Einsatz am Schreibtisch ebenso wie im Lager oder in der Produktion an. Die Publikation gibt einen hinreichend tiefen Über- und Einblick in die Welt der legierten Stähle und deren Schrotte. Inhaltlich dürfen Begrifflichkeiten und Definitionen des legierten Schrotts ebenso wenig fehlen, wie eine Übersicht über die ganze Bandbreite der rostfreien Edelstähle. Auch zu eher seltenen Qualitäten wie Werkzeug- und Schnellarbeitsstahl, den Super- und Speziallegierungen sowie Titan- und anderen (Rein)-Metallschrotten gibt es entsprechende Erläuterungen. Das Buch kann bei der BDSV gegen eine Schutzgebühr von EUR 18,80 bestellt werden: http://bdsv.de/de/resources/2018_11_30_Bestellformular_Handbuch_legierter_Stahlschrott_.pdf .

Allen unseren Leserinnen und Lesern und Ihren Familien wünschen wir ein Frohes Weihnachtsfest und einen guten Jahreswechsel.

LME (London Metal Exchange)

LME Official Close (3 Monate)
10. Dezember 2018
Nickel (Ni) Kupfer (Cu) Aluminium (Al)
Official Close
3 Mon.Ask
10.830,00
USD/mt
6.110,00
USD/mt
1.951,00
USD/mt
LME Bestände in mt
12. November 2018 10. Dezember 2018 Delta in mt Delta in %
Nickel (Ni) 216.612 210.846 – 5.766 – 2,66%
Kupfer (Cu) 169.325 122.500 – 46.825 – 27,65%
Aluminium (Al) 1.056.450 1.040.975 – 15.475 – 1,47%

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