Marktverwerfungen an der Nickelbörse in London. Handel muss unterbrochen werden. Versorgungsängste wegen Russland/Ukraine nur der Auslöser. Zu große Position für einen zu kleinen Markt. LME steuert gegen.

Nicht jeder sieht den Superzyklus. Nachfrageeffekte nicht in der gesamten Breite. Nachhaltigkeitsprojekte alleine reichen nicht. Hingegen erwartet Wood Mackenzie eine Verdoppelung der Nickelnachfrage bis 2040.

EU-Stahlwerke müssen emissionsärmer werden. Budget hinsichtlich Pariser Klimaabkommen für 2050 verbraucht sich überproportional. Weitere Maßnahmen müssen es richten. Mehr Schrotteinsatz kann helfen.

ISSF berichtet über erfolgreiches Edelstahljahr 2021. Anstieg der globalen Schmelzproduktion um 10,6% auf 56,3 Mio. Tonnen. Der Output in Europa legt sogar um 13,6% zu. Leider keine Zahlen zum Schrotteinsatz.

LME Nickelmarkt (vorübergehend) in Turbulenzen
In den frühen Morgenstunden des schon laufenden asiatischen Handels des 7. März 2022 kam es im Nickelmarkt der London Metal Exchange (LME) zu einem ernstzunehmenden „Unfall“, auf den die Börse, nach erster Einschätzung, nicht hinreichend vorbereitet war. Eine an der Börse direkt, aber auch Over-the-Counter (OTC) durch einen Marktteilnehmer mit der Unterstützung von Brokern und Banken aufgebaute, unverhältnismäßig große Verkaufs-/(Short-)Position sorgte für Turbulenzen. Die durch Versorgungsängste bei Nickel aufgrund der Russland-/Ukraine-Krise zuletzt angestiegenen Nickelnotierungen hatten die dominante Position so ins Defizit gebracht, dass Broker und Banken offenbar kalte Füße bekamen und von dem/den Positionsinhaber(n) weitere Sicherheiten forderten. Da diese wohl nicht unverzüglich beigebracht wurden, entstand eine erhebliche Unruhe. Broker und Banken begannen offenbar damit die Position zu liquidieren, um potenzielle eigene Verluste zu begrenzen. Diese Käufe trieben die Kurse am 7. und 8. März in einem engen Markt in schwindelerregende, vollkommen artifizielle Höhen. Am 8. März drückte die LME dann den Not-Aus-Schalter und der LME-Nickelhandel wurde vorübergehend suspendiert.

Bevor der Nickelmarkt am 16. März den Handel unter der Einführung enger täglicher Bandbreiten wieder sukzessive aufnahm, hatten gemäß wiederkehrender Marktinformation der finanziell durchaus potente Positionsinhaber und seine Banken die Zeit genutzt, um die ursächliche Situation zu bereinigen. Nicht überraschend kam es daher in den Folgetagen zu einem täglich kontrollierten – innerhalb durch die Börse festgelegter Bandbreiten – Kursrückgang, um den Markt wieder auf sein Gleichgewichtsniveau zu bringen. Am 21. März betrug der Schlusskurs USD 31.380,00/mt. Da die Marktverwerfung deutlicher war, als jemals erwartet, wurde schnell Kritik an der LME laut. Für eine Abschätzung der mittel- und langfristigen Folgen des LME-Nickelpreises als international anerkannte Preisreferenz für die Industrie ist es aber noch zu früh.

Société Generale sieht keinen Superzyklus der Rohstoffe
Während die US-Investmentbank Goldman Sachs einen Superzyklus für den Rohstoffbereich erwartet, wiegelt die französische Großbank Société Generale in einer bereits etwas gereiften, aber dennoch sehr interessanten Publikation im „Commodity Compass“ ab. Demnach ist auf Basis der quantamental, einer Kombination von fundamentaler und quantitativer Analyse (dem Besten beider Welten), untersuchten Daten noch kein Superzyklus zu erkennen. Denn trotz der hohen Nachfrage nach Rohstoffen aus Nachhaltigkeitsprojekten, erwarten die Rohstoffexperten keine wesentliche Nachfrage in allen Bereichen, wie es bei vorherigen Superzyklen der Fall war. Bei ihren Erkenntnissen stützen sich die Experten auf Daten, die bis in die 1800er Jahre zurückgehen. Darüber hinaus wurden mehrere Nachfrageszenarien, unter Berücksichtigung verschiedener politischer Rahmenbedingungen, modelliert. Die Experten der Großbank resümieren, dass Kupfer, Aluminium, Nickel und Zink (sowie der weiteren Basismetalle) noch kein Superzyklusmuster aufweisen. Der mögliche kurz- und mittelfristige Einfluss der kriegerischen Auseinandersetzung in der Ukraine als exogener Schock wird in diesem Modell natürlich nicht berücksichtigt.

Wood Mackenzie erwartet eine Verdoppelung des globalen Nickelverbrauchs
Analysten der Forschungs- und Beratungsgruppe Wood Mackenzie gehen davon aus, dass sich der globale Primärnickelverbrauch von 2,4 Mio. Tonnen im Jahr 2020 auf 4,9 Millionen Tonnen im Jahr 2040 mehr als verdoppeln wird. Derzeit werden zirka 70% des Nickels für die Herstellung von Edelstahl verwendet. Im Jahr 2040 dürfte der Anteil auf etwa 53% sinken, da die Batterieproduktion für Elektrofahrzeuge einen immer größeren Anteil einnehmen wird.

Die Erholung der Nachfrage nach der Covid-19 Pandemie, in Verbindung mit dem künftigen Nickelbedarf durch die Elektrifizierung der Mobilität, hat die Nickelpreise im gesamten Jahr 2021 gut unterstützt. Bereits Ende vergangenen Jahres veröffentlichten die Experten von Wood Mackenzie diese Informationen und prognostizierten für das laufende Jahr 2022 starke Preise, die langfristig aber wieder fallen dürften.

Ohne neue Technologien schöpfen die EU-Stahlwerke ihr Emissionsbudget 15 Jahre zu früh aus
Der Bericht „Steeling for net zero“ der Forschungsgruppe „lndustry Tracker“ kommt zu dem Ergebnis, dass den zehn größten Stahlproduzenten Europas, der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten und der Türkei weniger als 26% ihres Kohlenstoffbudgets verbleiben und daher ihre Geschäftsmodelle rasch umstellen müssen, wenn sie bis zum Jahr 2050 die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen wollen. Die untersuchten Stahlproduzenten haben somit drei Viertel ihres Kohlenstoffbudgets für 2050 bereits aufgebraucht.

Durch eine höhere Schrotteinsatzquote können einige Unternehmen ihr Zeitfenster für den Umstieg um zwei bis zweieinhalb Jahre verlängern. Auch der Einsatz von Gas könnte zur Überbrückung in Betracht gezogen werden. Dennoch sind die nächsten fünf Jahre für viele Unternehmen entscheidend, so die Forschenden.

Der europäische Bergbau hat Verbesserungspotenzial
Die Europäische Kommission hat die nachhaltige und verantwortungsvolle Gewinnung von Rohstoffen in den Mittelpunkt ihrer Rohstoffpolitik gestellt. Der Prozess zur Angleichung der Vorschriften ist jedoch äußerst langsam.

Nachdem im Jahr 1998 der Damm eines Absetzbeckens einer andalusischen Zink- und Bleimine brach und im Jahr 2000 zyanid- und schwermetallhaltige Abwässer aus einem rumänischen Staubecken in die Theiß und die Donau flossen, verabschiedete die EU eine Richtlinie für mineralische Abfälle. Im Jahr 2017 monierte ein Fortschrittsbericht, dass vier EU-Mitgliedsstaaten die Richtlinie noch nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt hatten. Zwar gab es inzwischen einige Verbesserungen, dennoch wurde das europäische Regelwerk noch nicht vollständig in die Gesetzgebung der betroffenen Länder integriert.

Bei einer öffentlichen Anhörung des Europäischen Parlaments wurde Europas ökologische Glaubwürdigkeit von Dr. Steven H. Emerman erschüttert. Ein Kupferprojekt in Spanien beinhaltet einen 81 Meter hohen Damm, der an einem steilen Hang weniger als 200 Meter über einem Dorf liegt. In Brasilien, Ecuador und sogar in China wäre das illegal, so der Geophysikexperte mit Abschlüssen der Universitäten Princeton und Cornell.

Die EU fördert sinnvollerweise Bergbauprojekte als Teil ihrer Rohstoffstrategie. Leider reicht der Anteil an Sekundärrohstoffen momentan noch nicht aus, mit „Urban Mining“ den Rohstoffbedarf zu decken. Dennoch ist es geboten, einen Teil der Gelder in Sicherheitsstandards und Sanierung alter Standorte zu stecken, um Hinterlassenschaften vorheriger Projekte zu entfernen, oder zumindest abzusichern.

ISSF Statistik zur Edelstahlproduktion 2022
Die Statistik des International Stainless Steel Forum (ISSF) ist eine wichtige und verlässliche Referenz bezüglich der globalen und regionalen Edelstahlproduktion, kommen die Daten doch im Wesentlichen direkt von den Edelstahlherstellern als Mitgliedern des ISSF. Die Organisation publiziert auch noch weitere interessante Daten, die auf der Website www.worldstainless.org eingesehen werden können, leider aber keine Zahlen zum Einsatz von Edelstahlschrott in den Werken der Mitglieder. In diesem Bereich liegen nur mehr oder weniger solide Schätzungen und Modelle von Marktforschern sowie Zahlen zu den Handelsströmen vor, die aber den jeweiligen Binnenkonsum ausklammern.

Für das Jahr 2021 konnte die globale Edelstahlschmelzproduktion laut ISSF um 10,6% auf 56,3 Mio. Tonnen gesteigert werden. Mit der Ausnahme von China (+1,6% / 30,6 Mio. Tonnen) wuchs die Produktion in allen Regionen der Statistik zweistellig. China hatte schon im Jahr 2020 deutlich zugelegt. In Europa konnte der Output um solide 13,6% auf absolute 7,2 Mio. Tonnen zulegen. Am stärksten dürfte die Edelstahlschmelze in Indonesien gestiegen sein. In der mit „Sonstige/Others“ bezeichneten Region, die recht unzusammenhängend neben Indonesien auch Brasilien, Russland, Südafrika und Südkorea umfasst, wurde 42,0% mehr Edelstahl erschmolzen als im Vorjahr, was einer Tonnage von 8,3 Mio. Tonnen entspricht.

Gastbeitrag zum Image des Schrotthandels
In dem nachfolgenden, sehr lesenswerten Beitrag findet man die Gedanken, die sich Tim Schneider (17), Schülerpraktikant bei der Oryx Stainless AG, über das Image des Schrotthandels in seiner Generation gemacht hat:

Schrotthandel? Schrotthandel! Wie wenig wusste ich, wie viel vermutete ich; wie viele Vorurteile, wie wenig Wissen. Nach meinen ersten persönlichen Erfahrungen weiß ich es nun besser. Ein spannendes, vielfältiges Arbeitsfeld, dass ein überraschend breites Aufgabenspektrum beinhaltet, eine wichtige, wichtiger werdende Branche, die zu Umweltschutz und Klimawandel einen wesentlichen Beitrag leistet. Nicht jeder kann das aus erster Hand erfahren. Die Mehrheit der Menschen blickt weiterhin von außen auf den (Edelstahl-)Schrotthandel. Daher möchte ich darüber berichten und meine Eindrücke teilen.

Die diversen Klischees über den Schrotthandel sind weit verbreitet. Doch ist der Allgemeinheit nur ein sehr kleiner Teil, dieser komplexen und technisch anspruchsvollen Branche bekannt. Aus dem Alltag kennen die meisten Menschen nur den „Schrotthändler zum Anfassen“, den Klüngelskerl. Dieses sehr schlichte und verkürzte Bild des Schrotthändlers bildet zu meinem Bedauern allerdings die Basis der Vorstellung der Bevölkerung über das Stahl- und Edelstahlrecycling. Vorurteile sind existent, haben natürlich eine Wurzel, sind aber für die professionellen Marktteilnehmer ungerechtfertigt. Dennoch sind die Gedanken in den Köpfen der Menschen verankert. Was kann man also gegen dieses überholte Bild und Image des Schrotthandels tun?

In meinen Augen bietet sich gerade heute eine Chance, diese eher mäßige Reputation aufzuwerten. Durch die Digitalisierung befinden sich die Medien in einem Umschwung. Konventionelle Medien nehmen weiter an Popularität ab, wohingegen die sozialen Medien immer relevanter werden. Aus diesen Quellen beziehen viele, gerade junge Menschen heutzutage ihre Informationen. Konventionelle Medien sind durch ihre in der Tendenz eher negative Berichterstattung für das heutige Ansehen der Branche „mitverantwortlich“, aber wie steht es mit den „neuen“ sozialen Medien? An dieser Stelle bietet sich die erwähnte Chance.

In den sozialen Medien ist der Schrotthandel so gut wie unbekannt und kommt zumindest prominent nicht vor. Insofern gibt es noch kein definiertes Image. Aufgrund dessen ist es möglich, dem Schrotthandel über „Social Media“ ein komplett neues und damit ein angemessenes Gesicht zu geben, und die Branche in ein völlig anderes Licht zu rücken. Diese Neudarstellung kann mit wenig Aufwand betrieben werden. Durch das gelegentliche Teilen von Beiträgen verknüpfen die vorhandenen Algorithmen Interessierte miteinander, was eine genaue Ansprache des Zielpublikums erleichtert. Aktuell werden diese Medien zwar überwiegend „nur“ von jüngeren Generationen genutzt, allerdings wird auch diese Gruppe stetig älter. Vielleicht sind die Menschen dieser Generationen auch die Schrotthändler von morgen.

Die Vorteile einer Verbesserung des Ansehens liegen auf der Hand. Mehr Initiativbewerbungen würden vermutlich stattfinden und somit mehr Arbeitskräfte im Schrotthandel ihre Karriere beginnen. Ein anderes Plus wäre die angemessene Wahrnehmung bei sämtlichen Bezugsgruppen des Unternehmens. Das gilt für Kunden ebenso, wie die Politik und die Gesellschaft im Allgemeinen. Doch es geht weniger um das Geschäftliche. Die Branche leistet Erhebliches zum Schutz gegen den Klimawandel, was weithin unbekannt ist. Entsprechende Bemühungen in der Branchenkommunikation würden vor allem zu einem besseren Ansehen und Verständnis der gesamten Industrie führen. Die Unternehmen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Recyclingindustrie brauchen sich nicht zu verstecken, sie können vielmehr stolz auf sich sein.

Selbstverständlich ist so ein Umschwung nicht von heute auf morgen zu erreichen. Ebenso wenig führen kurzfristige, einmalige Impulse zum Ziel. Einzelprojekte, unter der Leitung von Werbe- und/oder PR-Firmen ohne wirklichen Bezug zu unserem Geschäft, fehlt es häufig an Begeisterung. Also wieso nicht genau diesen begeisterten jungen Leuten eine solche Aufgabe anvertrauen? Sie bringen das nötige Know-how für die Bedienung der sozialen Medien aus ihrem Alltag mit und haben genügend Motivation für eine solche Kampagne.

Ich bin überzeugt, wenn man den unverstellten Berufsalltag eines jungen Schrotthändlers in einer Art Blog auf diversen Online-Plattformen teilen würde, hätten die Menschen eine Chance, den spannenden Beruf des Schrotthändlers auf eine direkte unmittelbare Weise kennenzulernen.

 

LME (London Metal Exchange)

LME Official Close (3 Monate)
21. März 2022
  Nickel (Ni) Kupfer (Cu) Aluminium (Al)  
Official Close
3 Mon.Ask
31.380,00
USD/mt
10.191,00
USD/mt
3.525,00
USD/mt
 
LME Bestände in mt
  11. Februar 2022 21. März 2022 Delta in mt Delta in %
Nickel (Ni) 84.486 73.632 – 10.854 – 12,85%
Kupfer (Cu) 74.100 80.150 + 6.050 + 8,16%
Aluminium (Al) 875.250 704.850 – 170.400 – 19,47%

Oryx Rohstoff News

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