LME Week als großes, internationales Stelldichein der Marktteilnehmer. Neben dem gesellschaftlichen Ereignis wird aber auch viel präsentiert und diskutiert. Zum Beispiel über China.

Der gerade bestätigte chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping stellte seine Reformagenda vor. Die Herausforderungen werden konkret beschrieben. Insgesamt ist das Bild recht schlüssig.

Ein anderes Thema ist die Elektromobilität und die Metallmärkte. Da schwingt schon sehr viel Zukunft mit. Aber die Börsen handeln doch die Zukunft. Entscheidend ist wohl der Zeithorizont.

Auch die Umwelt ist wieder im Fokus. Klimakonferenz und Kohlendioxidreduktion. Präferenzen der Länder ändern sich. Länger Leben, weniger Wachstum. Bei Grafitelektroden ist der Einfluss schon da.

Im Rahmen der London Metal Exchange Woche (LME Week), die jährlich im Herbst in London stattfindet, treffen sich die Stakeholder der Metallbörse. Nicht nur um die Börse und sich zu feiern, sondern auch, um sich zu den dringenden Themen und Aussichten der Metallmärkte auszutauschen. Glamouröser Höhepunkt ist das LME Dinner, zu dem mehr als 1.500 von der Börse und ihren Mitgliedern geladene Gäste in einem riesigen, zweistöckigen Ballsaal in Smoking und Abendkleid zusammenkommen. Im Rahmen der LME Week finden aber auch zahlreiche Termine und Veranstaltungen statt, die dem fachlichen Austausch dienen.

Von einer dieser Veranstaltungen soll hier berichtet werden, dem alljährlichen Base Metals Research Breakfast der französischen Bank Société Générale. Neben der fundamentalen und technischen Analyse der Industriemetalle wurde das Event in diesem Jahr unter dem launigen Titel „Enjoy the stability while it lasts“ durch eine Präsentation der China-Volkswirtin der Bank, Wei Yao, bereichert. Wei Yao gehört seit 2012 zu den anerkanntesten und zahlreich ausgezeichneten Wirtschaftsexperten zum Thema China. China spielt als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und darüber hinaus als heute größter Nachfrager nach den meisten Rohstoffen eine entscheidende fundamentale Rolle, wenn es um Prognosen hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Rohstoff- und Industriemetallpreise geht. Zudem ist China in nicht wenigen Bereichen auch ein wesentlicher Anbieter und Produzent von Rohstoffen.

Besonders interessant bei dem Vortrag von Wei Yao war eine sehr prägnante Zusammenfassung  des nur alle fünf Jahre stattfindenden Parteitags der Kommunistischen Partei Chinas, auf dem der Partei- und Staatschef Xi Jinping in einer dreieinhalbstündigen Rede seine Vision eines starken Chinas in der Welt vorstellte. Für die weitere Entwicklung Chinas, sieht Xi Jinping trotz allen Fortschritts auch Widersprüche sowie Risiken und Gefahren, die er in einer nun weiteren Amtsperiode als Parteichef bekämpfen möchte. Dabei spielt die Sicherung der Macht der Partei und seiner persönlichen Handlungsfreiheit eine entscheidende Rolle. Da die Fortschritte, nach Auffassung nicht weniger Beobachter, sehr stark auch auf die Person und Persönlichkeit Xi Jinpings zurückgeführt werden, macht man sich heute auch schon Gedanken darüber, wie es nach seiner Zeit weitergehen wird.

Die präsentierte Strategie kann auf vier ökonomische Prinzipien und sieben wesentliche Reformthemen verdichtet werden.  Die vier Prinzipien lauten: die uneingeschränkte Führung durch die Partei, Stabilität ist wichtiger als Wachstum, das Management von Risiken sowie die Sicherung der Macht. Die wesentlichen Reformthemen können wie folgt beschrieben werden. Neben der Reform der staatseigenen Unternehmen, bei der es um die Anpassung der Eigentümerstrukturen ebenso geht, wie um eine Konsolidierung der staatseigenen Unternehmen, die zu Kapazitätsreduzierungen führen soll, steht in diesem Bereich vor allem die Bekämpfung der Umweltverschmutzung im Vordergrund. Diese ist ein ganz wesentliches Thema für die chinesische Bevölkerung und soll daher sehr offensiv und mit höchster Priorität angegangen werden.

Das wird neben geringeren Einflüssen auf die Rohstoffnachfrage Chinas sicher auch die Produktion und das Angebot von bestimmten Primärrohstoffen wesentlich beeinflussen. Als für den Edelstahl relevante Beispiele fallen einem hier die Produktion von Grafitelektroden (vgl. auch unten) ebenso wie die Produktion von Nickel Pig Iron (NPI) ein. Auch dürfte sich die eher auf den Verbrauch von Primärrohstoffen ausgelegte Ofentechnik in den nächsten Jahren mehr in Richtung von für den Schrotteinsatz optimierten Techniken bewegen. Man kann davon ausgehen, dass bei den Ersatz- und Neuinvestitionen künftig die heute noch bei weitem dominierende Hochofentechnologie bei der Edelstahlproduktion sukzessive durch die Elektrolichtbogentechnologie abgelöst wird. Das wird für die quantitative und qualitative Schrottnachfrage aus China, wie auch für die relative Bewertung von Schrott sicher Auswirkungen haben.

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang vor allem auch das Prinzip, dass Wachstum nicht mehr ausschließlich Vorrang hat. Eine weitere Reform soll sich auf die Reduzierung der Verschuldung der chinesischen Volkswirtschaft konzentrieren. Auch sollen die sozialen Sicherungssysteme bezüglich Alterssicherung und Gesundheit verbessert werden. Die Bändigung des heiß gelaufenen Immobiliensektors gehört auch zu den wesentlichen Punkten der Reformagenda. Unter den industriellen Reformen finden sich Subreformen zum Label „Made in China“, zur Weiterentwicklung des Internets sowie zur Deregulierung bestimmter Sektoren.

Mit dem Schlagwort „Go-out“ werden Reformen in den Bereichen Infrastruktur mit der Gründung einer Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank, regionale Wirtschaftszusammenarbeit, Beteiligungen und Partnerschaften mit dem Ausland sowie die Belt & Road Initiative zusammengefasst. Unter der Überschrift „Open-up“ geht es um die Liberalisierung von Kapitalkonten und die Öffnung bestimmter heimischer Märkte. Wie man aus der vorstehenden Zusammenfassung ablesen kann, geht die chinesische Führung inzwischen sehr offen auch mit Problemen und Risiken um. Das ist durchaus eine erhebliche qualitative Veränderung zu vergangenen Zeiten, wo heikle Themen nur zu gerne unter den Teppich gekehrt wurden. Daher ist die Erwartung, dass sich auch tatsächlich etwas ändern sollte, durchaus realistisch.

Vergessen darf man aber bei allem Optimismus nicht, dass über allem das Prinzip „The Party leads“ steht und daraus ergibt sich bei aller Zuversicht auch ein nicht unerhebliches Risiko, insbesondere wenn es um die wirtschaftliche Betätigung nicht-chinesischer Akteure in und mit China geht. Die übrigen aktuellen Themen der LME Week bezüglich Nickel fasst eine Publikation des mittlerweile chinesischen Bank- und Brokerhauses ICBC Standard Bank treffend zusammen. Aktuell werden Nickelnachfrage und –angebot noch durch die Edelstahlproduktion dominiert, mit einem Anteil von ca. 70%. Gegenwärtig werden aber Sentiment und Preise vermutlich eher von der erwarteten Revolution der Elektromobilität getragen, wo bei der Batterietechnik die Nickelnachfrage zu den wesentlichen Profiteuren gehören könnte.

Zahlreiche Gespräche und Diskussionen in London drehten sich um dieses Thema und wie bestellt kletterten die Nickelpreise an der LME auf neue Höhen. Und konnten zeitweise sogar die USD 13.000-Marke überwinden. Zuletzt gab es aber durch Gewinnmitnahmen eine Konsolidierung des Kurses auf rund USD 12.300,00/mt. Allerdings besteht auch aufgrund der reichlichen Lagerbestände an der Börse, aber auch bei Produzenten, Handel und Konsumenten aktuell kein Engpass an Nickel für die Batterieproduktion und andere Anwendungen.

ICBC Standard Bank geht daher davon aus, dass die Marktbewegung bei Nickel kurzfristig eher von Investoren, als von Konsumenten getrieben wird. Die Shanghai Futures Exchange (SHFE), der man eine gewisse Casino-Mentalität nachsagt, scheint in dieser Entwicklung eine Vorreiterrolle zu spielen. Dennoch, so ICBC in ihrer strategischen Analyse, besteht bei einer Mehrjahresperspektive durchaus eine gewisse Befürchtung, dass die Nickelverfügbarkeit sowie die Verfügbarkeit in der richtigen Form zu einem echten Thema werden könnte. So wie die Verarbeitung von lateritischen Erzen zu Nickel Pig Iron, die Kostenkurve für Nickel im Aggregat nach unten verschoben hat, könnte es nun zu einer Gegenbewegung kommen. Ob das zu einer Zweiteilung des Nickelmarktes führen könnte ist umstritten und noch nicht hinreichend diskutiert. Führende Analysten sind aber eher anderer Meinung. Dass zwischen den Preisen für das an der LME gehandelte Nickel (bezüglich der genauen Spezifikation und Marken siehe: www.lme.com/Trading/Brands/Approved-brands) und anderen Formen von Nickel einschließlich Edelstahlschrott Preisunterschiede bestehen, ist keine Neuigkeit. Hintergrund ist auch heute schon, dass mit diesen Prämien auf den oder Abzügen vom LME-Nickelpreis individuelle Unterschiede in Qualität sowie Angebot und Nachfrage abgebildet werden sollen.

So handelt Edelstahlschrott gegenwärtig mit einem Abschlag auf den LME-Nickelpreis. Dies ist aber nicht festgeschrieben. Zum Beispiel wurde zur Jahresmitte 2007 Edelstahlschrott, wegen der bestehenden Marktenge hinsichtlich Nickeleinheiten, zeitweise mit einer Prämie auf den LME-Preis gehandelt. So wäre es nicht verwunderlich, wenn durch die gegenwärtigen Änderungen der Präferenzen der Gesellschaft hinsichtlich Umweltverschmutzung und Kohlendioxidemissionen bestimmte vorteilhafte Parameter beim Edelstahlschrott eine positive preisliche Bewertung erfahren könnten. Und es wäre auch eher überraschend, wenn eine steigende Nachfrage nach Primärnickel zum Beispiel aus dem Batteriesektor mit entsprechend höheren Preisen, nicht auch für steigende Preise anderer Nickelträger sorgen würde. Denn die Nickelmenge, welche zukünftig in der Batterieproduktion verwendet wird, steht für die heute dominierende Edelstahlproduktion schon rein physisch nicht mehr zur Verfügung. Daher wird man sich noch mehr auf den Schrott und andere Nickelträger konzentrieren müssen.

Sollte Schrott aber parallel und nicht zuletzt auch aus Umweltgründen aus China und dem Rest der Welt verstärkt nachgefragt und präferiert werden, ist ein Angebotsengpass schon alleine dadurch gegeben, dass die jeweils zu einem Zeitpunkt verfügbaren Schrottmengen nie ausreichen werden, den gesamten Rohstoffbedarf der Edelstahlindustrie zu decken. Es sei denn, es gäbe einen deutlichen Rückgang der Produktion. Damit ist aber nicht zu rechnen. So wird am Ende der Markt entscheiden, welchen Preis der Produzent und Endverbraucher für einen sauber produzierten Stahl und die dafür verwendeten Rohstoffe zu bezahlen bereit ist.

Dass die Edelstahlrohstoffe mitunter eine hohe Volatilität aufweisen ist hinlänglich bekannt, zuletzt machte aber das Verbrauchsmaterial Grafitelektroden von sich reden. Grafitelektroden werden in Elektrolichtbogenöfen zur Stahlherstellung eingesetzt und dienen dort zur Leitung der elektrischen Energie, um die eingesetzten Rohstoffe, wie zum Beispiel Edelstahlschrott, zum Schmelzen zu bringen. Seit der Jahresmitte sind die Spotpreise für Grafitelektroden geradezu explodiert und von unter USD 5.000,00/mt auf bis zu USD 40.000,00/mt gestiegen. Für diese Entwicklung gibt es mehrere Gründe.
Zum einen gibt es ein Angebotsdefizit, da während der chinesischen Heizperiode (Oktober/November bis März) die dortigen Grafitelektrodenproduzenten aus Umweltschutzgründen Produktionsbeschränkungen unterliegen. Daher produzieren die Elektrodenhersteller außerhalb Chinas quasi an der Kapazitätsgrenze.

Zum anderen ist der Preis von Nadelkoks, einem wichtigen Ausgangsrohstoff für die Elektrodenproduktion, stark gestiegen. Ferner gibt es auch noch Außenhandelsbeschränkungen hinsichtlich des Imports chinesischer Grafitelektroden, die es nach Aussagen von Analysten bis zum Jahr 2020 unwirtschaftlich macht Elektroden aus China einzusetzen. In der mittleren Frist könnte auch die verstärkte Nachfrage aus dem Lithium-Ionen-Batteriebereich ein Aufwärtsrisiko für die Nadelkokspreise darstellen. Je nach Einkaufsstrategie (langfristig versus Spot), sind die Stahlproduzenten kurzfristig in unterschiedlicher Art und Weise betroffen. Mittel- und langfristig werden sich aber die beschriebenen Effekte bei allen Produzenten auswirken und zu höheren Stahlpreisen führen, da man diese Kosten an die Kunden weitergeben wird.

Der Einfluss wird auf bis zu USD 75,00 pro Tonne flüssigem Stahl geschätzt. Marktbeobachter gehen zwar davon aus, dass sich die aktuell sehr hohen Preise für Grafitelektroden nach Ende der chinesischen Heizperiode im kommenden Jahr wieder reduzieren werden, allerdings erwartet man wegen der mittelfristigen Effekte aus dem Batteriebereich nicht, dass diese in 2018 deutlich unter USD 15.000/mt fallen. Aus diesem Grund ist es mehr als verständlich, wenn sich Edelstahl verteuern wird: Die angekündigten Preiserhöhungen sollten keinen Anlass zu längeren Diskussionen geben, sie sind längst überfällig!

LME (London Metal Exchange)

LME Official Close (3 Monate)
14. November 2017
Nickel (Ni) Kupfer (Cu) Aluminium (Al)
Official Close
3 Mon.Ask
12.335,00
USD/mt
6.863,00
USD/mt
2.105,50
USD/mt
LME Bestände in mt
17. Oktober 2017 14. November 2017 Delta in mt Delta in %
Nickel (Ni) 385.656 379.590 – 6.066 – 1,57%
Kupfer (Cu) 291.325 258.800 – 32.525 – 11,17%
Aluminium (Al) 1.212.225 1.161.275 – 50.950 – 4,20%

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